Ahnenforschung!

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An die Bretagne hat Yann de Kérambrun nicht nur gute Erinnerungen. In Saint-Malo, im Haus les Couérons, hat Yann mit seinem Zwillingsbruder Guillaume und seinen Eltern unzählige Sommer verbracht. Nun, nach dem Tod von Vater Charles, gehört die Villa ihm und er fährt nach St. Malo.

Yann, der in Paris als Historiker arbeitet, will das Familienarchiv sortieren und herausfinden, weshalb sein Vater Charles ein so engstirniger Mann war. Vor allem die Insel Cézembre hat in der Familie Kérambrun, die mit dem Schiffbau wohlhabend geworden ist, schon immer eine grosse Rolle gespielt. Diese Insel liegt genau gegenüber von der Familienvilla.

Ich liebe Familiengeschichten und solche, die über mehrere Generationen gehen erst recht. Allerdings habe ich eine Familiengeschichte in dieser Form noch nie gelesen. Denn was man als Leser von der Familie Kérambrun erfährt, geschieht einerseits in der Form von Yanns Ergebnissen der Ahnenforschung. Andererseits wurden Kapitel mit Dokumenten, Briefen, Tagebucheinträgen und Erlebnissen der früheren Generation eingesetzt. Die dritte Handlungsebene ist das Geschehen in der Gegenwart, Tätigkeiten und Erlebnisse von Yann in Saint-Malo.

Gerade die Ahnenforschung ist teilweise ziemlich trocken, was ja anhand des Themas nicht verwunderlich ist. Meist steht Yanns Urgrossvater Octave im Zentrum. Das Familienoberhaupt lebte über hundert Jahre, bevor sich Yann durch das Familienarchiv wühlt in genau dem Haus. Immer wieder hat mich das Leben von Octave, seiner Frau Julia und seinen Söhnen berührt, beschäftigt und oft gut unterhalten. Die Autorin spinnt eine Brücke zwischen den Geschehnissen um 1910 und den Recherchen von Yann in der Gegenwart.

Für Yann ist dieser Rückblick auch eine Aufarbeitung der Beziehung zum engstirnigen, verstorbenen Vater Charles. Dieser hat die Firma, die Schiffe baut, von seinen Vorfahren übernommen und hätte sie gerne an Yann weitergegeben. Der Schiffsbau, sowie das Segeln sind zentrales Thema und waren für mich, die ich keine Ahnung davon habe, oft zu ausführlich. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Segelfans und Schiffsinteressierte voll auf ihre Kosten kommen. Die Insel Cézembre, die gegenüber von Yanns Villa liegt, birgt einige Geheimnisse. Geheimnisse, die nach und nach in den Einschüben der Vergangenheit ans Licht kommen.

Die Autorin hat einen malerischen Schreibstil. Sie hat es geschafft, dass ich mir das Meer, das Haus und die Landschaft vorstellen konnte. Die Handlung ist eher gemächlich und seitenweise erfährt man von den Recherchen und Ergebnissen von Yanns Ahnenforschung. Damit die Handlung auch in der Gegenwart "geschieht", hat Helene Gestern eine zurückhaltende Liebesgeschichte, sowie das gespannte, jedoch innige Verhältnis von Yann mit seinem Sohn Paul eingesetzt. Mit der Hauptfigur Yann hat sie eine Figur geschaffen, die bestens für diese Art Geschichte geeignet ist. Teilweise wird er beim Sichten des Materials melancholisch und traurig. Gleichzeitig wirkte er auf mich neugierig und zielstrebig.