Ein stiller, poetischer Roman voller Atmosphäre und Tiefe.

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schildi_88 Avatar

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Es gibt Bücher, die berühren – und dann gibt es Rückkehr nach St. Malo. Dieses Werk hat mich nicht nur gefesselt, es hat mich regelrecht in eine andere Welt versetzt. Von der ersten Seite an entfaltet sich eine stille, fast meditative Atmosphäre, die mich vollkommen in ihren Bann gezogen hat.

Schon die äußere Gestaltung ist ein Versprechen: das Cover mit den sich brechenden Wellen, dem silbrigen Licht über dem Atlantik – ein Symbol für das, was den Leser erwartet: Tiefe, Bewegung, und eine Sehnsucht, die kaum in Worte zu fassen ist. Doch was dieses Buch wirklich außergewöhnlich macht, ist sein Inneres.

Hélène Gestern erzählt mit einer zarten, poetischen Sprache, die nicht nur beschreibt, sondern fühlbar macht. Die bretonische Küste, das alte Familienhaus, die Insel Cézembre – all das tritt aus den Seiten hervor wie in einer duftenden, winddurchwehten Erinnerung. Ich konnte das Salz auf den Lippen schmecken, das Knarren der Dielen hören, den kalten Stein unter nackten Füßen spüren. Es ist fast magisch, wie lebendig die Landschaft hier wird – nicht als Kulisse, sondern als atmende, bedeutungsschwere Begleiterin der Geschichte.

Im Zentrum steht Yann, der nach dem Tod seines Vaters zurückkehrt an den Ort seiner Kindheit – zurück in das Familienhaus, das mehr ist als nur ein Gebäude. Mit jeder entdeckten Notiz, jedem vergilbten Schriftstück seiner Vorfahren entfaltet sich eine Familiengeschichte, die tief in der bretonischen Seele wurzelt. Was zunächst wie eine Reise in die Vergangenheit beginnt, wird zur Suche nach Identität, nach Zugehörigkeit – und nach Frieden.

Die Geschichte entwickelt sich leise, ohne große Gesten, aber mit einer intensiven Kraft. Kein aufgesetztes Drama, sondern feine Zwischentöne, langsame Erkenntnisse, stille Versöhnung. Besonders berührend ist die Art, wie Gestern Erinnerung und Gegenwart miteinander verwebt – so kunstvoll, dass man nicht merkt, wo das eine endet und das andere beginnt.

Ja, manche Passagen verlangen Geduld. Sie fordern Aufmerksamkeit, vielleicht sogar eine gewisse Langsamkeit beim Lesen. Aber gerade das macht dieses Buch so besonders. Es schenkt etwas, das in unserer schnelllebigen Zeit selten geworden ist: innere Ruhe. Die Lektüre fühlt sich an wie ein langer Spaziergang am Meer – voller Wind, Gedanken und Weite.

Rückkehr nach St. Malo ist mehr als ein Roman. Es ist eine sinnliche, tiefgründige Hommage an die Bretagne, an die Kraft der Erinnerung und an das stille Wunder, sich selbst in der Vergangenheit zu begegnen. Für mich ein echtes Lesejuwel – und ein Buch, das ich nicht nur gelesen, sondern erlebt habe.

Fazit:
Ein stiller, poetischer Roman voller Atmosphäre und Tiefe. Wer sich nach Weite, Meer und einer berührenden Familiengeschichte sehnt, wird in diesem Buch ein kleines literarisches Zuhause finden.