Ein Werk leiser Intensität.

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rosenfreund Avatar

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Das Buchcover von “Rückkehr nach St. Malo“ ist eine Art Gemälde, welches eine stürmische See mit Felsen im Vordergrund und einer Insel am Horizont unter einem bewölkten Himmel abbildet. Hierdurch wird man gut eingestimmt auf dieses Werk einer Naturliebhaberin, die unaufgeregt das Meer als verbundende Kraft darstellt.
Der Protagonist Yann erbt nach dem Tod seines Vaters die Familienvilla in St. Malo. Dorthin kehrt er nach seinem bisherigen Leben als Geschichtsprofessor an der Sorbonne in Paris zurück, um sich , jetzt fast 50 Jahre alt, selbst zu finden und seine Scheidung zu überwinden. Bisher hatte er sich nicht für die Familiengeschichte interessiert und die Leitung der Firma für Schiffsmotoren seinem Bruder überlassen, der mittlerweile verstorben ist. Jetzt, als Historiker, findet er im Arbeitszimmer in St. Malo ein großes Familienarchiv interessant, und nach intensiver Durchforstung der Materialien, begibt er sich auf die Suche nach den Geheimnissen der Familie
Kérambrun. Danach kann er die Persönlichkeit seines Vaters besser einordnen, der mit dynastischem Ehrgeiz, sehr hohen Ansprüchen, moralischer Strenge und fanatischer Hingabe an das Familienunternehmen, das von Yanns Urgroßvater gegründet wurde, handelte . Diese von Kälte und Vorherbestimmung in der Firma gekennzeichnete Beziehunge zwischen Vater und Sohn kann er immer besser einordnen und damit seinen Frieden machen.
Hélène Gestern erzählt fein beobachtend mit einer fast kontemplativen Sprache. Sie verwendet viele Metaphern, und zeitweise wirkt ihre Sprache poetisch und fast philosophisch. Dabei gelingt es ihr, Emotionen sehr gut zu vermitteln und die Atmosphäre in dieser vom Meer beherrschten Landschaft meisterhaft darzustellen. Das Meer wird oft wie ein gefährliches Biest beschrieben, dann wieder wie ein Ort der Ruhe, der zu innerer Meditation anregt.
Der Schreibstil variiert meisterhaft, je nachdem, ob es sich um den Gefühlszustand von Personen handelt oder um die wirtschaftliche Seite der Familiengeschichte, die Entstehung der Firma.
Die wechselnden Perspektiven und Zeitebenen machen die Lektüre anspruchsvoll, die Einordnung der Personen wird durch die Familienstammbäume im Anhang jedoch erleichtert.
Das Werk ist lohnend für Personen, die stille, nachdenkliche Geschichten lieben. Das hat auch mir gut gefallen, jedoch wurde, für meinen Geschmack, die Rahmenerzählung zu oft unterbrochen von zu langen Naturschilderungen und der Firmengeschichte mit vielen technischen Details, daher vergebe ich nur 4 Punkte.