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Mitteilungen aus dem Jenseits

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Cemal ist Ende dreißig, Grundschullehrer, geschieden und hat eine kleine Tochter, Ekin, die für ihn den Mittelpunkt der Welt darstellt. Und außerdem ist da noch Georg, mit dem er gern seine freien Tage und inzwischen auch Nächte verbringt, jedoch immer darauf bedacht, dass sich seine verschiedenen Leben nicht berühren. Georg dagegen möchte mehr von ihm, eine echte Beziehung, in der er sich öffnen müsste. Doch das macht Cemal Angst, er fühlt sich verloren und nicht in der Lage, sein Leben wirklich zu teilen. Zu stark wirkt die anerzogene Sprachlosigkeit nach, seine Geschichte als Einwandererkind, das als Kleinkind bei den Großeltern in der Türkei zurückgelassen wurde und erst Jahre später zu den Eltern nach Deutschland kam. Eltern, die ihm immer ein wenig fremd geblieben sind, wirkliche Nähe ist zwischen ihnen nie entstanden. Doch seit einiger Zeit erscheint ihm nachts seine Urgroßmutter Süveyde, diese Traumsequenzen erzählen von ihrem Leben im Dorf, sie offenbaren Cemals Wurzeln und die Kontinuitäten, die es innerhalb seiner Familie gibt. Şehnaz Dost verknüpft Süveydes Erzählungen mit Rückblicken auf Cemals Kindheit und Jugend, seine Freundschaft zu Sinan und seiner Gegenwart in der großen Stadt. Es geht um Migration, Alltagsrassismus, Identität und die Nachwirkung alter Verletzungen. Die Sprache ist poetisch, der Text wirkt wie ein zartes Gebilde, dessen Bestandteile manchmal deutlich zutage treten und manchmal im Nebel der Erinnerung zu verschwimmen scheinen. Cemal muss lernen, sein Spiegelbild auszuhalten und die Geister der Vergangenheit zu konfrontieren. Vieles deutet die Autorin nur an, das Ende bleibt offen und lässt doch die Hoffnung zu, dass alles gut oder wenigstens besser werden kann. Mir hat dieser warmherzige und berührende Roman wirklich gut gefallen, ich mochte die Figuren und die Art, wie die Autorin ihre Beziehungen erzählt. Besonders Cemal, der oft so verloren wirkt und doch eigentlich immer alles richtig machen möchte, ist mir wirklich ans Herz gewachsen, ich hätte ihn gern noch weiter begleitet. Passend zur Geschichte findet sich am Ende des Buches eine Liste mit allen Liedern, die in den einzelnen Kapiteln erwähnt werden. Wer also ein umfassendes Leseerlebnis möchte, kann sich zum Buch den passenden Soundtrack anhören.