ruh

Sprachlich wunderbar, Handlung zäh

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desirée Avatar

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Ich hatte mir nach dem Lesen des Klappentextes von "ruh" der Autorin Sehnaz Dost eine Geschichte erhofft, wo es um einen Protagonisten geht, der in seinen ersten Lebensjahren in der Türkei bei seinen Großeltern aufgewachsen ist und später zu seiner ihm weitestgehend fremden Eltern nach Deutschland kommt. Ich erwartete Einblicke in die familiären Beziehungen und wie Cemal zwischen diesen beiden Heimaten aufwächst. Außerdem fand ich den Aspekt der homosexuellen Beziehung interessant.

Leider war der Roman dann doch eine große Enttäuschung. Ich habe mich immer wieder gefragt, wo die Autorin mit der Geschichte hin möchte. Es gibt kaum Einblicke in die familiären Beziehungen, vielmehr lesen wir hauptsächlich von Cemal, der im Selbstmitleid versinkt. Zwischendrin wechselt die Perspektive zu Cemals Urgroßmutter, die sich an an ein vormaliges Leben erinnert und sich nun stark auf ihre Tochter fixiert. Hier fehlte es mir völlig am Zusammenhang. Warum wird dieser Handlungsstrang erzählt? Was hat das Ganze mit Cemal zu tun?
Was mich wirklich sehr stört, ist die Darstellung von "den rassistischen Deutschen". Diese stereotype Zeichnung fördert ebenso Vorurteile und spaltet unsere Gesellschaft (und das schreibe ich als eine Person, die selber einen sogenannten "Migrationshintergrund" hat!).

Es ist schade, dass das Potential der Geschichte nicht genutzt wurde. Das Thema Heimat und auch der innere Konflikt rund um Cemals sexuelle Orientierung sind aus meiner Sicht absolut interessante Themen, die zwar angerissen, aber nicht wirklich auserzählt wurden. Ich empfinde die Handlung als sehr zäh und langatmig.

Ein Lob möchte ich dennoch aussprechen: Die Autorin hat eine wunderbare Sprache! In ihren Sätzen liegt etwas sehr melancholisches und zartes, was ich sehr mag.