ruh

Türkischkenntnisse erforderlich

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emmmbeee Avatar

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Im vergangenen Jahrhundert wanderten im deutschen Raum zuerst die Südtiroler und Italiener ein, später die Griechen, um die Immigrationsbewegungen mal kurz zu fassen. Und wenn gegen Ende des Jahrtausends vor dem Balkankrieg die Kroaten, Bosnier und Serben zu uns flüchteten, suchten teils schon vor ihnen Menschen aus der Türkei bei uns bessere Verdienstmöglichkeiten.
Inzwischen sind die meisten bestens integriert und ins Kulturleben eingebunden, doch wird es ihnen bis heute nicht leicht gemacht. Rassismus lässt sich besonders von konservativ Eingestellten nur schwer überwinden. Das spürt auch der Deutschlehrer Cemal, von seiner Frau getrennt lebend mit einer entzückenden kleinen Tochter und in einer wackligen Beziehung zu Georg.
Immer wieder geistern in Rückblicken die Vorfahren durch seine Gedanken und durchdringen seine Seelenruhe. Dazu der Alltag als Lehrer, Vater und Geliebten eines Mannes, der die Beziehung vertiefen will, was Cemal aus dem Gleichgewicht bringt und seine Seele durchbeutelt.
Mich hat beeindruckt, mit welcher Sprachkraft Sehnaz Dost die Situationen in der Diaspora schildert und uns Lesern auch Cemals Erinnerungen an seine Kindheit in der Türkei nahebringt. Der Spannungsbogen hält sich etwas in Grenzen, ist vielleicht auch gar nicht unbedingt nötig. Doch die Farben, die Lebendigkeit, der Erzählfluss machen das Lesen zur Freude.
Am Schluss wird ein Familienstammbaum angeführt, ebenso eine genaue Liste der Musiktitel in den einzelnen Teilen. Für mich jedoch fehlt etwas Wichtiges: ein Vokabularium, denn türkische Ausdrücke finden sich auf fast jeder Seite. Einzelne Speisen und Bezeichnungen kann man ja nachschlagen, aber nicht ganze Sätze oder gar, wie treffend ein Vorname von den Eltern ausgewählt wurde. Schade! Eine ausschließlich türkische Leserschaft kann doch kaum die Absicht der Autorin gewesen sein. Deutschsprachige jedoch stehen häufig vor einem Rätsel.
Das Cover sieht zwar recht hübsch aus, ist aber zu neutral-bunt und hebt mich nicht gerade aus den Socken. Ich empfehle den Roman solchen Lesern, die zumindest Grundkenntnisse der türkischen Sprache haben.