#me too für junge Leserinnen und Leser

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marie aus e Avatar

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Das Buch habe ich zwar gesehen, aber anhand des Titels und des Covers als eines dieser üblichen Teenie-Unterhaltungsromane abgetan. Dann habe ich einige Bewertungen dazu gesehen, die sich alle überschlugen vor Begeisterung und war neugierig und ja: hinter dem 0815-Umschlag versteckt sich eines der besten Jugendbücher, das ich in letzter Zeit gelesen habe.

Es beginnt erwartungsgemäß. Marin ist 17 und in der Redaktion der Schülerzeitung, hat ihren ersten Freund, ist schlau und schwärmt ein wenig für ihren Englischlehrer. Ganz normales Teenie-Leben. Das liest sich flott und man kann sich sofort in Marin hineinversetzen (das bleibt während des ganzen Buches so - man leidet mit Marin, versteht ihre Selbstzweifel und wird immer wütender auf die Welt "da draußen").


Dann geschieht etwas, was Marin nachhaltig erschüttert - und als sie beschließt, es öffentlich zu machen, wird es bagatellisiert und bis auf wenige Menschen in ihrem Umfeld, die zu ihr stehen und ihr glauben, wird sie einfach abgetan, sie hätte da nur etwas falsch verstanden.

Bereits im Vorfeld wird auch deutlich, dass an Marins Schule (die überall sein könnte) für Mädchen und Jungs zweierlei Regeln gelten. Und dass alle schön mitspielen, auch die Mädchen solidarisieren sich nicht, sondern lachen über Mitschülerinnen. Man will ja schließlich keine Zicke sein...

Das Buch zeigt das anhand Marins Geschichte wunderbar auf und regt zum Nachdenken an. Es geht nicht nur um die "großen" Vorfälle, nein, unser ganzer Alltag ist von geschlechterspezifischen Erwartungshaltungen geprägt und wird so größtenteils auch gelebt.

Marin ist mutig - und sie muss erfahren, dass man ruckzuck von der beliebten Schülerin zur Außenseiterin mutiert. Auch wenn das Buch zeigt, dass man unbedingt den Mund aufmachen muss, so muss Marin auch erfahren, dass man damit massiv aneckt und unter Umständen auch Lebensträume begraben muss.

Das fand ich schon sehr hart, aber auch realistisch und deshalb gut.
Das Buch wird ab 12 Jahren empfohlen, ich würde es aber erst ab 14 Jahren weiterempfehlen. Jüngere Leser*innen ziehen vielleicht die falschen Schlüsse - schließlich kann Marin nicht mehr alles realisieren, was sie sich vorgenommen hat, der Umkehrschluss sollte aber nicht sein, deswegen stillzuhalten.

Auch über das Kernthema hinaus ist das Buch großartig. Marin hat eine Oma, die an Demenz leidet, sie hat einen Freund mit zwei Müttern und es gibt genauso tolle Jungs wie Mädchen in der Geschichte. Nicht schwarz-weiß und auch nicht pädagogisch-belehrend, sondern spannend und leicht lesbar geschrieben.

Ich fände es toll, wenn Bücher dieser Art künftig Schullektüre wären - ausreichend Gesprächsstoff für viele Schulstunden bietet es und ist dazu auch noch keine Minute langweilig.

Ganz große Weiterempfehlung!