Wichtiges Thema spannend verpackt

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Gleich einmal vorweg: "Rules for being a Girl" war eine große Überraschung im positiven Sinn. Was wie eine typische amerikanische Highschool-Geschichte beginnt, entwickelt sich zu einer Story mit Tiefgang zu einem wichtigen Thema.

Marin, eine kluge und beliebte Schülerin, befindet sich in ihrem letzten Highschool-Jahr, und hat beste Aussichten, am renommierten Brown-College aufgenommen zu werden. Sie ist mit Jacob, einem talentierten Lacrosse-Spieler zusammen und mit Chloe schon seit ihrer Kindheit eng befreundet. Insgeheim schwärmt Marin von ihrem Englisch-Lehrer, dem jungen, charismatischen Mr. Beckett, von allen Bex geannt. Als sie eines Tages nach der Schule nach Hause fährt, kommt es zu einem Vorfall, der Marin zutiefst verstört und verunsichert. Als sie sich Chloe und später auch ihrem Schulleiter anvertraut, erhält sie keine Unterstützung, sondern man glaubt ihr nicht. Ihre bis dahin heile Welt ist in ihren Grundfesten erschüttert. Marin beginnt, die Erwartungen, die an Mädchen und junge Frauen gerichtet werden, in Frage zu stellen. Als sich die Situation zuspitzt und der Vorfall mit dem Lehrer für sie zu bedrohlichen Konsequenzen führt, nimmt sie all ihrem Mut zusammen und wehrt sich.

„Rules for being a Girl” ist eine runde und in sich schlüssige Geschichte, die ich mit großer Spannung gelesen habe. Die Autorinnen schaffen es, dass man mit der Hauptfigur mitfühlt und das Buch kaum aus der Hand legen kann. Marins Wut, ihre Hilflosigkeit angesichts der Reaktionen ihrer Umwelt und ihre Unsicherheit bei der Frage, ob sie mit ihrer offensichtlichen Schwärmerei für Bex nicht auch eine Mitschuld trägt, ist für den Leser deutlich spürbar. Marins Eltern beantworten diese Frage ganz klar:

„Wie kann denn auch nur irgendetwas davon deine Schuld sein? (…) Es ist die Aufgabe der Lehrer, Grenzen zu setzen (…) Weil der Lehrer der Erwachsene ist.“

Schön dargestellt und für den mitfiebernden Leser erlösend, ist die Unterstützung, die Marin von ihren Eltern und – ganz unerwartet – von ihrem Mitschüler Gray erhält.

Gray ist eine meiner Lieblingsfiguren im Buch. Er ist für Marin und für den Leser eine Entdeckung. Er ist Sportler und aus Sicht von Marin zunächst nur ein uninteressanter Mädchenheld. Als er in Marins feministischen Buchclub auftaucht, will er in erster Linie Marin kennenlernen, wird aber unerwarteterweise zu einer großen Stütze für sie. Das Klischee von Highschool-Supersportler wird mit dieser Figur kräftig gegen den Strich gebürstet.
Ins Herz geschlossen habe ich auch Marins an Alzheimer erkrankte Großmutter. Auch sie ist eine Überraschung, denn die stets korrekt gekleidete alte Dame hat eine feministische Vergangenheit, von der Marin nichts wusste.

Die Geschichte lebt nicht zuletzt von der Beschreibung des jungen, gutaussehenden und durch seine lässige, den Schülern zugewandte Art äußerst beliebten Lehrers Bex. Die Figur ist von den Autorinnen sorgfältig angelegt. Dass Marin mehr als begeistert von ihm ist, lässt sich gut nachvollziehen. Dass er nicht nur der engagierte, coole Lehrer ist, für den ihn alle halten, offenbart sich erst gegen Ende der Geschichte in aller Deutlichkeit.

Neben der spannenden Haupthandlung enthält das Buch noch zwei interessante Nebenhandlungen. Der Blick in das Leben der Großmutter und eine zarte Liebesgeschichte geben der Story Lebendigkeit und vermitteln Hoffnung und Zuversicht in einer streckenweise für die Hauptperson bedrückenden Situation.

Fazit:
Die Entwicklung von Marin zu einer mutigen, jungen Frau, die für ihre Rechte eintritt und sich gegen Übergriffe wehrt, ist spannend und mitreißend dargestellt. Die in kurzen Kapiteln erzählte Geschichte erinnert sprachlich und zu Beginn auch inhaltlich an einen Highschool-Roman. Der Verlauf der Story überrascht dann aber bald mit einer klugen Auseinandersetzung mit einem wichtigen Thema.

Klare Leseempfehlung!