Ein bittersüßes Meisterwerk über Familie, Krieg und Sprache.

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Dmitrij Kapitelman erzählt in seinem Roman „Russische Spezialitäten“ die bewegende Geschichte eines jungen Mannes, der zwischen seiner Liebe zu seiner Mutter und ihrer politischen Verblendung zerrissen ist. Kapitelman, geboren in Kiew und in Deutschland aufgewachsen, hat sich mit seinen literarischen Werken und seiner journalistischen Arbeit einen Namen gemacht. Bereits sein Debütroman „Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters“ wurde vielfach ausgezeichnet. Mit seinem neuen Werk beweist Kapitelman erneut seine Fähigkeit, ernste Themen mit Witz, Tiefe und großer Emotionalität zu verbinden.

Worum geht's genau?
Eine Familie aus Kyjiw, die in Leipzig einen Laden für „russische Spezialitäten“ betreibt, wird vom Krieg und den politischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine auseinandergerissen. Der Sohn, der keine Sprache so liebt wie das Russische und keine Stadt mehr als Kyjiw, sieht sich mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, seine Mutter aus dem Einfluss russischer Propaganda zu befreien. Seine Reise zurück in die Ukraine ist geprägt von einem tiefen Schmerz über die Zerstörung seiner Heimat und einer wachsenden Verzweiflung darüber, wie schwer Verständigung in Zeiten des Krieges ist. Themen wie Identität, Zugehörigkeit, Sprache, Verlust und Propaganda verweben sich zu einer facettenreichen und berührenden Geschichte.

Meine Meinung
Ich durfte das Buch vorab als Rezensionsexemplar lesen und war zugegebenermaßen vollkommen unvorbereitet auf die emotionale Wucht, die „Russische Spezialitäten“ entfaltet. Kapitelman schafft es, eine Vielzahl von Themen – von Zugehörigkeit, Identität und Sprache über Krieg, Familie und Rassismus bis hin zu Propaganda und Rechtsextremismus – zu einem stimmigen Ganzen zu verweben. Besonders beeindruckend ist die Tiefe, mit der die Zerissenheit des Protagonisten dargestellt wird. Der Schreibstil des Autors hat mich restlos begeistert. Er ist zugänglich, stellenweise humorvoll, und gleichzeitig gelingt es Kapitelman, auch die emotional aufwühlenden Momente mit bildhafter, blumiger Sprache zu schildern. Dabei bleibt der Ton stets klar und auf den Punkt. Diese Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang hat mich besonders gepackt. Obwohl das Buch vollständig aus der Perspektive des Protagonisten erzählt wird, habe ich mich gefragt, wie es gewesen wäre, auch andere Figuren zu Wort kommen zu lassen – etwa die Mutter oder andere Mitglieder der Familie. Trotzdem ist die Erzählweise, so wie sie ist, schlüssig und stimmig. Das Buch hat mich nachhaltig zum Nachdenken gebracht, insbesondere, weil ich mich vorher nicht intensiv mit den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auseinandergesetzt hatte. Kapitelman vermittelt eindrücklich die alltäglichen Schrecken in den Kriegsgebieten, aber auch die emotionalen und psychologischen Herausforderungen, die dieser Konflikt für Menschen im Exil bedeutet. Gleichzeitig eröffnet er einen neuen Zugang zum Thema Sprache und ihrer Rolle für Identität und Zugehörigkeit.

Fazit
Dmitrij Kapitelmans „Russische Spezialitäten“ ist ein vielschichtiger, emotional tiefgehender und zugleich zugänglicher Roman, der Leser:innen mit seiner sprachlichen Kraft und der Relevanz seiner Themen beeindruckt. Das Buch hat mich berührt, zum Nachdenken angeregt und meine Perspektive auf den Krieg und seine Folgen erweitert. Eine klare Leseempfehlung – 5 von 5 Sternen.