Gewalt ist ein Ausdruck von Schwäche
Dmitrij und seine Familie kommen 1990 als Flüchtlinge nach Deutschland und werden in Leipzig sesshaft. Dort eröffnen sie ein kleines Geschäft – Magasin – in dem russische Spezialitäten verkauft werden. Für die vielen Aussiedler, die in den 90er Jahren aus dem Osten kommen, ist dieser kleine Laden ein Stück Heimat und Treffpunkt. Selbstverständlich behalten sie auch ihre Sprache bei, im Laden wird Russisch gesprochen und Dimitrij lernt zwar Deutsch in der Schule, kann sich aber auch immer noch in Russisch verständigen, wenn ihm auch hin und wieder die Worte fehlen. Der Laden läuft gut, die Familie fährt mehrere Male im Jahr zum Einkaufen nach Kiew, bis es 2014 mit der russischen Annexion der Krim einen ersten Dämpfer gibt.
2022, als Putin im Februar die gesamte Ukraine angreift, werden aus Freunden plötzlich Feinde. Gleichzeitig erkrankt der Vater ernsthaft und die Familie entschließt sich, den Laden zu schließen. Er läuft auch lange nicht mehr so gut wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor.
Kapitelman bringt diese Zerrissenheit auch innerhalb der Familie deutlich zum Ausdruck. Dmitrij selbst steht auf Seiten der angegriffenen Ukraine, seine Mutter folgt der russischen Propaganda, die sie täglich über das russische Fernsehprogramm empfängt. Die Spaltung trifft aber auch langjährige Freunde, die einen glauben der Putin-Propaganda, die anderen der westlichen Berichterstattung. Mit einigen Freunden in Kiew bricht daher der Kontakt ab, obwohl er doch gerade in Kriegszeiten so notwendig wäre.
Dmitrij weiß sich irgendwann keine andere Lösung mehr, er macht sich auf in die Ukraine, um mit eigenen Augen zu sehen, was dort passiert.
Die alten Freunde der Familie, mit denen sich seine Mutter lange zerstritten hat, nehmen ihn herzlich auf und bewirten ihn großzügig. Sein alter Freund Rustik trifft sich mit ihm und stellt ihm seine Familie vor, vieles scheint normal zu sein, wären da nicht der häufige Bombenalarm sowohl tagsüber als auch in der Nacht und die zerstörten Häuserfronten in den besonders betroffenen Städten.
Es wundert ihn, dass die Menschen dennoch ihr Leben weiterleben, sie treffen sich zum Shoppen, zum Essen, im Park zu einem Spaziergang, nach außen will man Normalität zeigen. Aber da sind dann auch immer die Kriegsversehrten, die im Stadtzentrum betteln und die Menschen daran erinnern, dass dieser Krieg grausam geführt wird und bleibende Wunden hinterlässt. Außerdem wird überall für die Armee rekrutiert und Dmitrij kann dem nur durch seinen deutschen Pass entgehen.
War es vor dem Überfall egal, welcher Sprache man sich bediente, so versuchen die Menschen in Kiew jetzt, das Russische nicht mehr in der Öffentlichkeit zu gebrauchen. Dieses Nebeneinander der beiden Nachbarstaaten, der selbstverständliche Umgang miteinander dürfte auf Jahrzehnte hinweg nicht mehr möglich sein. Da entsteht eine Grenze, die nicht mehr so einfach überwunden werden kann. Zu viel persönliches Leid hat sich dazwischen gestellt. Die Zerrissenheit zeigt sich auch in der Sprache des Buches. In den Kapiteln wechseln die Sprachen, zwischen Deutsch, Russisch, Ukrainisch – wie Gedanken, die sich nicht entscheiden wollen, wohin sie gehören.
Dimitrij wünscht sich, dass die Politik nicht auch noch die Familie auseinandertreibt, für ihn ist es ein Hoffnungsschimmer, dass seine Mutter ihm zumindest gesteht, dass sie während seiner Ukraine-Reise Angst um ihn hatte und sie gesteht ihm damit auch, dass ihre Liebe zu ihm größer ist, als ihre Hörigkeit gegenüber Russland.
Als Leser, der immer im Westen gelebt hat, ist es schwer zu verstehen, wie man hier in Deutschland der Propaganda Russlands verfallen kann und ihr Glauben schenkt. Dafür muss man wohl in der ehemaligen Sowjetunion großgeworden sein und obwohl es einen Grund gab, diese in den 90er Jahren hinter sich zu lassen und im Westen einen neuen Anfang zu suchen, so verklärt sich diese Vergangenheit mit der Zeit doch zusehends.
Putin bedient dieses Heimweh sehr erfolgreich, mir ist diese Putin-Verehrung bei ehemaligen Russen schon häufiger aufgefallen.
2022, als Putin im Februar die gesamte Ukraine angreift, werden aus Freunden plötzlich Feinde. Gleichzeitig erkrankt der Vater ernsthaft und die Familie entschließt sich, den Laden zu schließen. Er läuft auch lange nicht mehr so gut wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor.
Kapitelman bringt diese Zerrissenheit auch innerhalb der Familie deutlich zum Ausdruck. Dmitrij selbst steht auf Seiten der angegriffenen Ukraine, seine Mutter folgt der russischen Propaganda, die sie täglich über das russische Fernsehprogramm empfängt. Die Spaltung trifft aber auch langjährige Freunde, die einen glauben der Putin-Propaganda, die anderen der westlichen Berichterstattung. Mit einigen Freunden in Kiew bricht daher der Kontakt ab, obwohl er doch gerade in Kriegszeiten so notwendig wäre.
Dmitrij weiß sich irgendwann keine andere Lösung mehr, er macht sich auf in die Ukraine, um mit eigenen Augen zu sehen, was dort passiert.
Die alten Freunde der Familie, mit denen sich seine Mutter lange zerstritten hat, nehmen ihn herzlich auf und bewirten ihn großzügig. Sein alter Freund Rustik trifft sich mit ihm und stellt ihm seine Familie vor, vieles scheint normal zu sein, wären da nicht der häufige Bombenalarm sowohl tagsüber als auch in der Nacht und die zerstörten Häuserfronten in den besonders betroffenen Städten.
Es wundert ihn, dass die Menschen dennoch ihr Leben weiterleben, sie treffen sich zum Shoppen, zum Essen, im Park zu einem Spaziergang, nach außen will man Normalität zeigen. Aber da sind dann auch immer die Kriegsversehrten, die im Stadtzentrum betteln und die Menschen daran erinnern, dass dieser Krieg grausam geführt wird und bleibende Wunden hinterlässt. Außerdem wird überall für die Armee rekrutiert und Dmitrij kann dem nur durch seinen deutschen Pass entgehen.
War es vor dem Überfall egal, welcher Sprache man sich bediente, so versuchen die Menschen in Kiew jetzt, das Russische nicht mehr in der Öffentlichkeit zu gebrauchen. Dieses Nebeneinander der beiden Nachbarstaaten, der selbstverständliche Umgang miteinander dürfte auf Jahrzehnte hinweg nicht mehr möglich sein. Da entsteht eine Grenze, die nicht mehr so einfach überwunden werden kann. Zu viel persönliches Leid hat sich dazwischen gestellt. Die Zerrissenheit zeigt sich auch in der Sprache des Buches. In den Kapiteln wechseln die Sprachen, zwischen Deutsch, Russisch, Ukrainisch – wie Gedanken, die sich nicht entscheiden wollen, wohin sie gehören.
Dimitrij wünscht sich, dass die Politik nicht auch noch die Familie auseinandertreibt, für ihn ist es ein Hoffnungsschimmer, dass seine Mutter ihm zumindest gesteht, dass sie während seiner Ukraine-Reise Angst um ihn hatte und sie gesteht ihm damit auch, dass ihre Liebe zu ihm größer ist, als ihre Hörigkeit gegenüber Russland.
Als Leser, der immer im Westen gelebt hat, ist es schwer zu verstehen, wie man hier in Deutschland der Propaganda Russlands verfallen kann und ihr Glauben schenkt. Dafür muss man wohl in der ehemaligen Sowjetunion großgeworden sein und obwohl es einen Grund gab, diese in den 90er Jahren hinter sich zu lassen und im Westen einen neuen Anfang zu suchen, so verklärt sich diese Vergangenheit mit der Zeit doch zusehends.
Putin bedient dieses Heimweh sehr erfolgreich, mir ist diese Putin-Verehrung bei ehemaligen Russen schon häufiger aufgefallen.