Hochaktuell

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sofie Avatar

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"Ein kleiner, für immer mutter-sprachlich verängstigter Teil von mir freut sich darüber, auf Anhieb das richtige russische Wort für russische Radikalisierung gefunden zu haben. Sich etwas anatmen bedeutet, dumme Dinge in den Kopf zu nehmen und sich zu verändern." S. 130

Dmitrij Kapitelman ist in Kiew geboren. Bereits in seinen vergangenen Büchern hat er sich mit seiner Familiengeschichte und seiner Herkunft auseinandergesetzt. Sein neuester Roman "Russische Spezialitäten" ist aber vielmehr in der Gegenwart verhaftet. Zum einen erzählt er die Geschichte seiner Eltern nach der Aussiedlung nach Deutschland und die ihres "Magasins", in dem sie in Leipzig russische Spezialisten verkauften. Zum anderen geht es aber vor allem um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und wie dieser Familien und Freundschaften belastet. Die Wirkung der russischen Propaganda spielt dabei eine große Rolle.
Wie schon in seinen vorherigen Büchern ist die Sprache von Kapitelman unglaublich durchdacht und durchzogen von Bildern. Er spielt mit der Sprache und hier nicht nur mit der deutschen, sondern auch mit der russischen und ukrainischen. Das Verhältnis zu seiner Muttersprache Russisch, das ebenso durch den Krieg belastet wird, ist dabei eines der großen Themen des Romans.
Im ersten Teil stecken auch viel Wortwitz und amüsante Beobachtungen aus Deutschland. Im zweiten Teil, der in der Ukraine spielt, bleibt einem das Lachen dann eher im Hals stecken.
Etwas gestört hat mich das Episodenhafte des Romans. Auch bleibt die Sprache manchmal etwas distanziert und fast konstruiert. Der Tiefgang ist zwar da, lässt einen manchmal aber etwas kalt zurück.
Insgesamt kann ich "Russische Spezialitäten" trotzdem empfehlen. Ein hochaktuelles Buch!