Zeitgenössischer humorvoller Einblick
Dimchik verzweifelt, weil Mama russisches Fernsehen in Warteschleife konsumiert. In Sibirien werden die Menschen von minus 30° Celsius beherrscht, sagt der Reporter. Daraufhin verkündet Mama stolz: „Na und, es waren auch schon minus 50°!“ Woraufhin Dimchik sich fragt, worauf Mama stolz ist, auf die russische Kälte? Mama wurde in Sibirien geboren und wurde von ihrer Mutter im zarten Alter von drei Jahren ins wärmere Moldawien gebracht. Mamas Vater war da schon abgehauen. Später ging sie nach Kyjiw, lernte Dimchiks Papa kennen und gebar Dimchik zu Hause. Außer der Sprache und dem Propagandafernsehen verbindet sie nichts mit dem russischen Staat.
Ende der 90er-Jahre gingen sie nach Sachsen und Dimchik erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Eltern investierten in Telekomaktien und verloren bis auf 2.000 Mark alles Ersparte. Da wollte Mama einen Laden für russische Spezialitäten eröffnen. Magasin stand in dicken kyrillischen Buchstaben am Schaufenster. Die Eltern fuhren abwechselnd nach Kyjiw, um die russischen Leckereien zu erobern. Sie brachten Flusskrebse in Tomatensoße, Krimsekt, Kaviar, Kondensmilch, Mirhorodskaya (salziges Mineralwasser), Sauerkraut, Matrjoschkas und die CDs mit den größten (und traurigsten) Hits von Wladimir Wissotzky mit.
Jetzt bedient Papa die Kundschaft (was er nie wollte) und Mama sitzt im Kabuff und macht die Quartalssteuererklärung auf einem PC von 1997, der, nachdem er fünfzehn Minuten hochgefahren ist, um den Gnadenschuss fleht. Am Abend sitzt Mama vor dem Russlandfernseher, raucht Kette und wiederholt wetternd ihre gewonnenen Erkenntnisse: Die faschistischen Ukrainer seien geldgeil, während die heldenhaften Russen das Land wieder aufbauten, das die Ukrainer selbst zerstörten, um den Russen zu diskreditieren. Dimchik weiß, dass ihr Gerede nicht herzlos ist, aber wahrheitsverloren.
Fazit: Dmitrij Kapitelmann hat mit viel Liebe und Humor eine zeitgenössische Geschichte geschaffen, die mit den gängigen Vorurteilen aufräumt, aber nicht nur das. Die Mutter des Protagonisten orientiert sich einzig am russischen Propagandafernsehen, das seine Landsleute mit jeder Menge falscher Informationen füttert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Völker gespalten. Jederzeit können kampffähige Männer auf beiden Seiten eingezogen und Existenzen vernichtet werden, sowohl wirtschaftlich als auch körperlich. Die Ukrainer möchten die Sprache, die ihnen über Jahrzehnte aufgezwungen wurde, nicht mehr sprechen. Der Protagonist liebt die russische Sprache (ukrainisch hat er nie gelernt), die Kultur und Schriftsteller und jetzt wird sein Verhältnis zu seiner Muttersprache politisch entmündigt. Das Land, in dem er lebt, wählt erstmals Faschisten in den Bundestag und in ganz Europa findet ein Rechtsruck statt, während man seinen ukrainischen Landsleuten Faschismus vorwirft, das ist alles nicht ermutigend. Ich mag diese Geschichte sehr, weil der Autor mir seine Kultur, sowohl die elterlich russische als auch die ukrainische ganz nah bringt. Er macht das, indem er mir die Spezialitäten, aber auch seine Landsleute zeigt. Der humorvolle Ton macht die Geschichte so gut lesbar, ohne das eigentliche Elend und das ganze Dilemma zu bagatellisieren. Eine gute Geschichte zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Danke für den Einblick.
Ende der 90er-Jahre gingen sie nach Sachsen und Dimchik erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Eltern investierten in Telekomaktien und verloren bis auf 2.000 Mark alles Ersparte. Da wollte Mama einen Laden für russische Spezialitäten eröffnen. Magasin stand in dicken kyrillischen Buchstaben am Schaufenster. Die Eltern fuhren abwechselnd nach Kyjiw, um die russischen Leckereien zu erobern. Sie brachten Flusskrebse in Tomatensoße, Krimsekt, Kaviar, Kondensmilch, Mirhorodskaya (salziges Mineralwasser), Sauerkraut, Matrjoschkas und die CDs mit den größten (und traurigsten) Hits von Wladimir Wissotzky mit.
Jetzt bedient Papa die Kundschaft (was er nie wollte) und Mama sitzt im Kabuff und macht die Quartalssteuererklärung auf einem PC von 1997, der, nachdem er fünfzehn Minuten hochgefahren ist, um den Gnadenschuss fleht. Am Abend sitzt Mama vor dem Russlandfernseher, raucht Kette und wiederholt wetternd ihre gewonnenen Erkenntnisse: Die faschistischen Ukrainer seien geldgeil, während die heldenhaften Russen das Land wieder aufbauten, das die Ukrainer selbst zerstörten, um den Russen zu diskreditieren. Dimchik weiß, dass ihr Gerede nicht herzlos ist, aber wahrheitsverloren.
Fazit: Dmitrij Kapitelmann hat mit viel Liebe und Humor eine zeitgenössische Geschichte geschaffen, die mit den gängigen Vorurteilen aufräumt, aber nicht nur das. Die Mutter des Protagonisten orientiert sich einzig am russischen Propagandafernsehen, das seine Landsleute mit jeder Menge falscher Informationen füttert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Völker gespalten. Jederzeit können kampffähige Männer auf beiden Seiten eingezogen und Existenzen vernichtet werden, sowohl wirtschaftlich als auch körperlich. Die Ukrainer möchten die Sprache, die ihnen über Jahrzehnte aufgezwungen wurde, nicht mehr sprechen. Der Protagonist liebt die russische Sprache (ukrainisch hat er nie gelernt), die Kultur und Schriftsteller und jetzt wird sein Verhältnis zu seiner Muttersprache politisch entmündigt. Das Land, in dem er lebt, wählt erstmals Faschisten in den Bundestag und in ganz Europa findet ein Rechtsruck statt, während man seinen ukrainischen Landsleuten Faschismus vorwirft, das ist alles nicht ermutigend. Ich mag diese Geschichte sehr, weil der Autor mir seine Kultur, sowohl die elterlich russische als auch die ukrainische ganz nah bringt. Er macht das, indem er mir die Spezialitäten, aber auch seine Landsleute zeigt. Der humorvolle Ton macht die Geschichte so gut lesbar, ohne das eigentliche Elend und das ganze Dilemma zu bagatellisieren. Eine gute Geschichte zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Danke für den Einblick.