Zwischen Heimat, Fremde und Identitätssuche – Ein literarischer Genuss mit Tiefgang

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Dimitrij Kapitelmans "Russische Spezialitäten" ist ein Buch, das sich mit Identität, Migration und familiären Spannungen auseinandersetzt – und das mit einem einzigartigen Mix aus Wortwitz, Poesie und tiefgründigem Ernst.

Bereits das Cover spricht Bände: Ein in Papier gewickelter Fisch vor rotem Hintergrund – modern, stilisiert und dennoch bedrückend. Der Fisch scheint nach Luft zu schnappen, was als Metapher für das Fremdsein gelesen werden kann. Kapitelman spielt auch im Buch mit dieser Spannung: zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Heimat und Fremde, Leichtigkeit und Schwermut.
Kapitelman gelingt es meisterhaft, seine eigene Identitätssuche mit der Geschichte seiner Familie zu verweben. Im ersten Teil erinnert er sich an seine Jugend im elterlichen Laden für russische Spezialitäten – ein Mikrokosmos, in dem skurrile, aber authentische Figuren regelmäßig ein- und ausgehen. Reisen nach Kiew, um dort Waren einzukaufen, stehen ebenso im Fokus wie das Ringen mit der eigenen Zugehörigkeit. Der Autor schafft es, zwischen Melancholie und (Galgen-)Humor zu balancieren und dabei poetische, bildreiche Sprache mit scharfem Witz zu kombinieren.

Die Charaktere wirken absolut authentisch, was nicht verwundert, da das Buch autobiografische Züge trägt. Besonders eindrücklich sind Kapitelmans Darstellungen seiner Eltern: Die Mutter, die zunehmend der russischen Propaganda verfällt, und der Vater, der vom körperlichen Verfall gezeichnet ist. Diese Familienkonflikte sind nicht nur persönlich, sondern spiegeln auch größere gesellschaftliche Entwicklungen wider. Die Mischung aus Traurigkeit, Wut und bittersüßer Komik macht die Erzählung besonders eindringlich.

"Russische Spezialitäten"* ist weit mehr als eine persönliche Geschichte – es ist ein Zeitzeugnis unserer politischen Entwicklungen, sowohl in Deutschland als auch in Europa und der Welt. Kapitelman verbindet das Private mit dem Politischen und schafft es, große gesellschaftliche Fragen anhand seiner eigenen Erfahrungen greifbar zu machen. Dieses Zusammenspiel aus persönlichem Schicksal und politischer Relevanz macht das Buch stark, beeindruckend und absolut lesenswert.