Harter Tobak - jugendgerecht dosiert

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Courtney Summers hat mit dem Erzählelement des True-Crime-Podcast den Nerv der Zeit getroffen – tatsächlich erfreuen sich Crime Podcasts und TV-Dokumentationen zu echten Verbrechen immer größerer Beliebtheit. Auch ich bin ein Fan solcher Shows; mich fasziniert, wie die wissenschaftlichen Fortschritte, die über die vergangenen Jahrzehnte erzielt worden sind, heute dazu beitragen, Cold Cases – einst unlösbare Fälle – aufzuklären und den Angehörigen der Opfer endlich Gewissheit zu geben. Somit war es keine Frage, dass die Geschichte um Sadie – eine junge Frau, die eines Tages spurlos verschwindet, nachdem ihre kleine Schwester Mattie ermordet aufgefunden worden war – mich thematisch angesprochen hat…erst recht aufgrund des originellen Aufbaus der Handlung, durch den wir Leser die Ereignisse zeitversetzt abwechselnd aus Sadies Perspektive und der Sichtweise des Journalisten West McCray (in Form des Transkripts einer Radio-Show) miterleben.

Die Autorin zeigt in ihrem Jugendbuch nicht nur den verheerenden Effekt auf, den elterliche Vernachlässigung auf das Leben von Kindern hat, sondern prangert auch das 'andere' Amerika an – das Leben der verarmten Bevölkerung in den Trailer Parks, jenseits der schillernden Metropolen. Gekonnt wird durch die Perspektivenwechsel die Spannung gesteigert und eine ganz eigenwillige Dynamik erzeugt; die Sprache ist nüchtern und auf den Punkt, in manchen Dialogen recht rüde – ideal für ein Werk dieses Genres. Insbesondere Sadies Einstellung zum Leben wirkt anfangs erschreckend; das Mädchen hat bereits in jungen Jahren Dinge erlebt, die nie ein Mensch erleben sollte, ist vernachlässigt und verlassen worden und begegnet dem Leben mit einer Verbitterung, die realistisch aber auch entsetzlich traurig ist. Toll finde ich, dass das Werk auch ohne allzu blutrünstige Szenen auskommt.

Ein wenig Abzug gibt es von mir für die Tatsache, dass Sadies Geschichte zwar unheimlich schockierend ist und sie mein vollstes Mitleid hat, ich ansonsten mit ihrer Figur aber nicht vollständig warmwerden konnte. Zudem sind für mich – unabhängig vom ohnehin offenen Ende, das noch lange nachwirkt – einfach viele Fragen unbeantwortet geblieben; mir persönlich hat eben abschließend etwas gefehlt, was das Ganze zu einer runden Sache gemacht hätte.

Fazit: Wer Spannung mag, wird sich hier wohlfühlen!