Geschwister

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Philipp ist ein neutorischer Fremdgänger ohne Skrupel. Als Charlotte ihn zuletzt mit Klavierlehrerin ihrer Tochter in flagranti erwischt, ist das Maß voll. Charlotte trennt sich endgültig von Philipp, auch wenn er es nicht wahrhaben will. Beteuert er doch immer wieder, dass er sie vermisst... wobei ihm wohl eher an den Annehmlichkeiten der Ehe gelegen ist.

Es ist Zeit, ihren Hausrat und ebenso ihr Leben gründlich zu entrümpeln. Dabei stößt sie auf ihr altes Handy; eine alte Nachricht Doro, ihrer Schwester, weckt ihre Sehnsucht. Die beiden haben vor Jahren – nach „der Sache“ – den Kontakt zueinander abgebrochen.
Ein paar halbherzige Bemühungen brachten Charlotte auf ihrer Suche nach Doro nicht weiter. Die Schwestern sind im Streit auseinandergegangen. Was damals (vor 11 Jahren) geschehen ist, wird quäntchenweises in den Handlungsverlauf eingearbeitet. Doro ist zur Beerdigung ihrer Mutter nicht erschienen, da sie auf eine Gesangskarriere hoffte und an einer Bandprobe teilnehmen wollte. Bereits das ist unverzeihlich. Doch dann war da noch „die Sache“.

Über Ben the man - Rockmusiker - wird sie auf eine Spur gebracht. Die Suche führt sie weiter nach Neustrelitz zu einem weiteren Verflossenen ihrer Schwester, Johannes Grubner, der Mecklenburgs ersten Yoga- und Esoterik-Campingplatz betreibt. Mit einer liebeskranken Schülerin im Gepäck begibt sich Charlotte also nach Meck-Pomm... und wird erneut nicht fündig. Doro hat Johannes für Reptilien-Richard – einen Tierarzt auf Rügen – verlassen. Der hatte jedoch schon nach wenigen Tagen genug von Doro und setzte sie vor die Tür. Dort verliert sich zunächst die Spur... zunächst. Einen wertvollen Hinweis liefert Richard, der sie auf einen Teilnehmer einer Kochshow aufmerksam macht, der unzweifelhaft Doros Pullover trägt. Hobbygourmetkoch Kotti (Viktor Kosslowsik) aus Dresden verweist sie an die Grünen-Politikerin Susanne Doppel-Kiefer-Bruch und deckt nebenbei auf, dass Charlotte Tante ist. Die wiederum gibt ihr den Hinweis, es bei dem Dichter und Sanssouci-Gärtner Julius zu versuchen. Doch auch Julius wurde nach kurzer Zeit von Doro verlassen, und zwar für „Shakespeare“.

Dieser Hinweis und ein wenig detektivisches Geschick bringen Charlotte zu ihrer Schwester.

Auf der Suche nach ihrer Schwester lernt Charlotte neue Seite von Doro kennen. Und sie muss erkennen, dass der Männergeschmack ihrer Schwester unberechenbar ist. Immer wieder fragt sie sich: „Was hat meine Schwester in diesem Mann gesehen?“ Außerdem stellt sie fest, dass Doro von jedem Verflossenen ein Souvenier einbehalten hat; exquisiete Stücke: eine seltene Rio-Reiser-Platte, ein kostbares Buch über Heilkräuter und Mondphasen, ein antikes Affenskelett, eine alte Butterform, handgeschriebene Gedichte... und einen Kricketschläger.
Hielt sie Doro bisher immer für schrill, bunt, cool und alles andere als neidisch auf ihre große Schwester, muss sie erfahren, dass Doro stets um ihre Anerkennung bemüht war. Wegen „der Sache“ seinerzeit, sah Doro sich gezwungen, sich ihrer Schwester zu entziehen. Sie hatte Charlotte doch schon genug verletzt.
Wieder vereint stellt Charlotte fest, dass sich ihre Schwester verändert hat. Sie ist „normal“.

Charlotte stolpert von einem Missgeschick in das nächste. Neben der Suche nach ihrer Schwester, wird ihr Leben als Lehrerin an einer Berufsschule und das Anbahnen einer neuen Beziehung thematisiert. Das Buch ist amüsant geschrieben. Zwar hat mich der Handlungsverlauf (bis auf wenige Ausnahmen) nicht überrascht; dennoch ist es eine wunderbare Geschichte, die noch viel besser erzählt wird.
„Frauenliteratur“ habe ich bisher stets gemieden. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, diese Buch zu gewinnen; hatte ich nur zwei Wochen zuvor gewonnen. Im Nachhinein betrachtet, bin ich zufrieden mit meinem Gewinn.