Schön und gut

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martinabade Avatar

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Sein „Schreibpate“ ist Maxim Biller. Was kann da schief gehen?

Als Samuel vor einigen Jahren einen Geburtstagstext für den Regisseur Dimiter Gotscheff schrieb, dieser (der Text) es auf merkwürdige Art bis in die Zeitung schaffte und dort unter Literaturverdacht geriet, riet Maxim Biller seinem Freund Samuel, er solle schreiben. Das Cover des Buches ist beredt: Samuels Kopfstand auf einem Foto, das Kopf steht. Umringt von lustigen jungen Menschen macht es den Eindruck als trüge er wie Atlas die Last der Welt.

Als Samuel nach zwei Jahren das Schauspielstudium an der Hochschule in Sofia abbrechen will, ist der Professor fassungslos und sagt, er wüsste genau, dass Samuel das Zeug zum Regisseur hätte, und er solle doch bleiben. Jetzt, wo alles anders würde! Ein paar Wochen später landet Finzi in Berlin.

Dies ist nicht der Anfang des Buches sondern das Ende. Bis dahin haben wir den kleinen Sancho, so sein Spitzname, durch Kindheit und Jugend begleitet. Durch den real existierenden Sozialismus der Marke „Balkan“. Durch glühend heiße Sommer auf dem Land, durch ein rätselhaftes Gewirr an Familien-bande(n), durch Freundschaften und Verbindungen, aber auch den unvermeidlichen Antisemitismus.

Samuel wächst beschützt und lange Zeit als Einzelkind auf, seine Mutter war bis zu seiner Geburt eine gefeierte Konzertpianistin, sein Vater Schauspieler mit einigem musikalischem Gespür. Er lebt zwischen Büchern, Mutters Flügel, Vaters Geige und dem Theater. Bei jeder Gelegenheit verschwindet er ins Kino.

Finzi schreibt aus der Küche seiner Berliner Wohnung. Deren Terrazzoboden, den er etüdenartig immer wieder beschreibt, erdet ihn einerseits, andererseits ist er die Startbahn für Erinnerungsreisen in die 70er und 80er Jahre Bulgariens, einem Land, über das wir ehrlich gesagt, alle nicht so viel wissen.

Der Text ist mit „autobiografischer Roman“ bezeichnet, will also vielleicht sagen: Das Meiste ist realistisch, über manches ist vielleicht auch der Weichzeichner drüber gegangen. Vor allem ist aber der Anekdotenstilist dabei gewesen. Jedes der kurzen Kapitel hat mindestens eine Pointe. Finzi weiß instinktiv, wann er aufhören muss. Oft genug bricht der Text im Mittendrin ab, mehr muss nicht sein. Alles Weitere ist im Kopf des Lesers.

Herrlich, wie Samuel und seine Eltern auf einer Reise durch Europa, Devisen sind knapp, sich die Zerstrittenheit des Clans, des der Finzis und des der Fintzis, zunutze machen. Bittersüß, als Samuels Vater an Montmarte die Geige auspacken muss, den Kopf in einem Schuhkarton versteckt. Aus Angst vor verräterischen Landsleuten. Bitter die Erzählungen um den zweijährigen Wehrdienst, den auch Samuel absolvieren muss.

Dreißig Jahre nach dem Ende des Ostblocks tut es uns gut, wieder einmal zu hören, wie anstrengend es war, sich durch die Hürden des Alltags zu schlagen, wie sehr man sich vor geparkten schwarzen Autos und den Kleiderständern darin in Acht nehmen musste. Eine Mahnung an uns Gegenwärtige, gerade in diesen Tagen. Obwohl die bulgarische Spielart im Gegensatz zum Beispiel zur ostdeutschen an manchen Stellen entspannter gewesen zu sei scheint.

Heute kennen wir ihn als gefeierten Bühnen- und Filmdarsteller. Als Ensemblemitglied des Deutschen Theaters in Berlin und der Wiener Burg. Als Flemming bewies er seine Serientauglichkeit und als Carlos in den Allmen-Verfilmungen besteht immer mal wieder die Gefahr, dass er seinem Freiherren die Show stiehlt.

In einer der Kritiken, die ich zur Recherche gelesen habe, wird eine Fortsetzung ins Spiel gebracht, da schließen wir uns gern an.