Trotzdem gab es kleine Wunder

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rauschleserin54 Avatar

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„Ich sitze in meiner Berliner Küche und betrachte den Boden.
Es ist ein Boden aus Terrazzo. Das tue ich oft und mit Nachdruck.
Die bunten Zementsteinchen beginnen sich zu drehen, ein Wirbel
saugt mich ein, und ich lande auf der Terrasse des Hauses meiner
Großeltern in Plovdiv, auf dem südlichen Balkan.“


Samuel Finzi ist ein großer Erzähler und dieser Anfang ist Magie.

Dieser Zauber findet sich im gesamten Buch wieder, denn es ist eng in Bulgarien

im Sozialismus und der junge Samuel hat es seiner künstlerischen und starken

Familie zu verdanken, dass es immer kleine Wunder gibt, kleine Ausflüchte.

Mir gefällt die Art, wie er die Übergänge von Kapitel zu Kapitel findet und

den Leser immer wieder in einen Sog zieht, ihm zu folgen und die Welt aus

seinen Augen zu betrachten. Ihn treibt die Sehnsucht nach dem Westen, aber die

Liebe zur Heimat und zu seiner Familie klingt immer durch.

Trotzdem erfahre ich die unterdrückten Ängste der Familienmitglieder und

nebenbei eine Zeichnung der damaligen Politik bis heute und der Gesellschaft.

Die großen Wenden bis zu seinem Erwachsensein werden immer durch einen

Blick auf den Terrazzo Boden eingeleitet. Ein wunderbares Erzählmittel und

eine Verbindung zwischen zwei Ländern und zwei Realitäten.

Am meisten beeindruckt hat mich das Hinschauen, auf das was ging und

nicht auf das, was nicht möglich war.

Dieses Buch bewegt als Entwicklungs- und Gesellschaftsroman, der zudem

eine Autobiographie ist und mich mit seiner poetischen Sprache zutiefst

beeindruckt hat. Danke Samuel Finzi.