Die Last des Schweigens

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Jakob Auber ist Sohn, Enkelsohn, selbst Vater eines kleinen Sohns. Der Ich-Erzähler des Romans kehrt in seinen Heimatort zurück, da sein Vater im örtlichen Krankenhaus liegt und dort stirbt. Jakob findet in seinem alten Zimmer im Elternhaus zahlreiche Dokumente vor, die ihn tief in seine Familiengeschichte eintauchen lassen. Die von seinem Vater besprochenen Tonbänder, die Tagebücher seines Großvaters, zahlreiche Fotografien und Briefe - all das wird für Jakob zu einer Reise in die deutsche Vergangenheit, die ihn bis nach Brasilien führt. Er lernt, die Sprachlosigkeit und das Schweigen in seiner Familie besser zu verstehen, wie auch die Schwierigkeit, Gefühle in Beziehungen zuzulassen und zu äußern, was auch für ihn selbst gilt. Die mangelnde Nähe, unter der die Personen leiden, spiegelt sich ebenso im sachlich-distanzierten Schreibstil wider. Auch das nostalgisch gestaltete Cover mutet kühl an.

Andreas Wunn erzählt in seinem Romandebüt nicht chronologisch, sondern springt zeitlich oft hin und her, wechselt die Ebenen, rückt andere Figuren in den Vordergrund - beispielsweise den Großvater Jakobs, der als Unternehmer einst für Aufstieg und Fall der Familie gestanden hatte. Trotz der Perspektivwechsel konnte ich mich immer rasch orientieren und habe den Aufbau als schlüssig empfunden. Für mich ist diese Geschichte aus der Sicht des Kriegsenkels Jakob beispielhaft für vergleichbare deutsche Schicksale, die die "Last des Schweigens" mit sich herumtragen, beispielhaft für Vater-Sohn-Beziehungen, geprägt durch die Geschehnisse des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Im vorliegenden Roman kann der Protagonist die Last für seine Schultern ein wenig verringern und sich öffnen.

Der Autor hat mich von Beginn an gebannt lesen lassen. "Saubere Zeiten" ist ein bemerkenswerter Auftakt in diesem Jahr. Eine eindeutige Leseempfehlung!