Wurzeln der Erinnerung

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Der Journalist Andreas Wunn legt mit „Saubere Zeiten“ sein bewegendes und unterhaltsames Roman-Debüt vor – über mehrere Generationen hinweg rollt er eine packende Familiengeschichte voller Geheimnisse, Sprachlosigkeit und Kriegstraumata auf.

Als der Protagonist und Ich-Erzähler Jakob Auber erfährt, dass sein Vater Hans nach einem Schlaganfall im Sterben liegt, fährt er zurück in seine alte Heimat Trier. In Berlin ist er Journalist, junger Vater und seit Kurzem von seiner Ehefrau Sophie getrennt. Im alten Elternhaus findet er in seinem ehemaligen Jugendzimmer zahlreiche Tonaufnahmen seines Vaters, die er kurz vor seinem Tod für seinen Sohn aufgenommen hat. Im Leben herrschte große emotionale Distanz und Sprachlosigkeit zwischen Vater und Sohn – die Mutter ist schon früh bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Zusammen mit den Tonbandaufnahmen gerät Jakob in einen Strudel voller unterdrückter Emotionen, Erinnerungen und in Kontakt mit seiner eigenen Gefühlswelt, die er verschlossen in sich hält. Der Vater rollt auf dem Band seine eigene Lebensgeschichte auf, die der Autor geschickt als dichte, atmosphärische Rückblenden in seinen Roman verwebt, während der Protagonist versucht, sein eigenes (Liebes-)lieben, seine Gefühlswelt und seine Beziehung zum Sohn Oskar zu ordnen.

Die Geschichte von Hans führt weit zurück – sein Vater Theodor war ein großer Tüftler und Erfinder, wurde mit einem Waschmittel reich, erlebte das Wirtschaftswunder und kam danach finanziell zu Fall. Doch er gab auch verdrängte Kriegstraumata an seine Nachkommen weiter und hat im Zweiten Weltkrieg Schuld auf sich geladen, als er den Drogeriemarkt seines jüdischen Chefs und Besitzers übernommen hat. Und die überlebende Tochter Bella dieses deportierten Besitzers spielt in der weiteren Handlung, die in drei große Teile untergliedert ist, eine tragende Rolle im Roman. Jakob wird sie in Brasilien aufspüren und sehr nah an seine eigenen schmerzhaften Wurzeln und Erinnerungen seiner Familie bringen.

Andreas Wunn ist ein gelungener, soghafter und berührender Roman auf mehreren Zeitebenen gelungen, in denen er schwierige Themen wie Schuld, Verdrängung, Krieg und der Versuch des Reinwaschens durch Schweigen in eine zwar melancholische, aber doch sehr warmherzige Geschichte voller menschlichen Emotionen verpackt. Angelehnt an einige Fakten seines eigenen Großvaters, basiert die Erzählung über familiäre Verstrickungen und Elternschaft auf Fiktion und wirkt trotzdem sehr authentisch und lebensnah.