Sachkundiger Blick auf die Armut

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irismaria Avatar

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Da ich ehrenamtlich in einer Tafel mitarbeite und mich das Thema Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft schon länger bewegt, war ich sehr gespannt auf dieses Buch. Der Autor beginnt mit einem persönlichen Einstieg, wie er Armut erlebte, einmal auf dem Heimweg vom Tanzen, als er jemanden sah, der im Müll nach Essen suchte, zum anderen als er selbst von Arbeitslosigkeit bedroht war.
Aus eher zufälligem Interesse entwickelte sich bei ihm ein Forschungsschwerpunkt der "Armuts-, Almosen- oder Hartz-IV-Ökonomie". In diesem Buch geht es vor allem um die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und der Wunsch der Politik, statt staatlich garantierten Leistungen Arme lieber zu privat organisierten stellen wie der Tafel zu verweisen.
Im Kapitel "Trostbrot" berichtet der Autor von seinen Gesprächen mit Tafelkunden und beleuchtet das System kritisch. Ich habe hier manches wiedergefunden, was ich aus unserer Tafel kenne, anderes aber überhaupt nicht - man darf also nicht verallgemeinern. Tafeln als sinnvoller Notanker, als Möglichkeit, unter Leute zu kommen oder als Armutsstabilierung? Das haben wir auch in der Tafel schon diskutiert.
Zustimmen kann ich der Hauptthese, dass Armut zu einem Minderwertigkeits- und Schamgefühl führt und die Betroffenen sich aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen fühlen.
Leider hat der Autor keine konkreten Vorschläge, was gegen die Armut zu tun ist (ausßer, dass die Politik dafür verantwortlich ist). Von daher fände ich einen Folgeband "Aufbruch aus dem Schamland" sehr hilfreich.

Ich finde das Buch sehr interessant und werde es in unserem Tafelteam weitergeben, damit der Besuch bei unserer Tafel kein Ausflug ins Schamland sein muss.