Schamland

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crazynic Avatar

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Im vorliegenden Buch setzt sich der Soziologieprofessor Stefan Selke mit der Armut in Deutschland auseinander, speziell mit Institutionen wie der "Tafel". Hierfür reiste er durch ganz Deutschland und unterhielt sich mit Tafelnutzern über deren Geschichten und ihre Gefühle. Ein großer Teil des Buches schildert unterschiedliche Schicksale von Tafelnutzern. Erst in der 2. Hälfte kommt er zu seiner eigenen Meinung, wertet die ganzen im nahegelegten Geschichten und Anmerkungen aus. Dabei kommen Tafeln, Suppenküchen etc. nicht sehr gut weg. Er steht diesen Organisationen sehr kritisch gegenüber. Manchmal fragte ich mich, ob das alles wirklich so schlecht ist, wie er es teilweise darstellt.

Eine Grundaussage seines Buches ist jene, dass die Tafeln vielleicht zwar im Moment den Menschen helfen, damit sie nicht verhungern, allerdings langfristig nichts dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Auch die Politiker bekommen in diesem Buch ihr Fett weg, da diese die Probleme mit der Armut an private Organisationen abschieben und so die Augen vor der Situation in Deutschland verschließen.

Sehr gut gefallen hat mir an dem Buch, dass hier wirklich auch endlich einmal Betroffene zu Wort kommen, denen sonst keiner zuhört. Die Geschichten gehen einem teilweise richtig ans Herz, auch wenn manche Dinge nicht ganz schlüssig sind. So z. B. das Ehepaar, das zwar kein Geld für Lebensmittel hat, aber doch einmal pro Woche in ein Cafe geht, um dort einen Kuchen zu essen und eine Tasse Kaffee zu trinken.

Das Buch kritisiert die Politik und auch unsere Gesellschaft und ist daher sehr mutig von Herrn Selke, dieses so zu veröffentlichen. Aber es war Zeit, dass jemand aufdeckt, wie das Ganze wirklich abläuft. Bisher habe ich mich kaum bis gar nicht mit diesem Thema befasst und hielt Tafeln wie viele andere sicher auch für etwas durchweg Positives. Selke hat meine Meinung teilweise geändert und mich zumindest zum nachdenken über meine bisherige Meinung darüber gebracht, was ja sicher auch sein Wille war.

Der Aufbau des Buches ist meiner Meinung nach sehr gut, zuerst kommen die Betroffenen zu Wort und danach analysiert er das Ganze. Allerdings so verständlich, dass auch ein Laie alles verstehen kann, was bei Sachbüchern ja leider nicht immer der Fall ist. Ganz am Ende befindet sich auch ein Quellnachweis über sämtliche Informationen des Buches, wo man bei Interesse auch relativ einfach noch sehr viel tiefer in das Thema einsteigen kann. Allerdings ist es zum Verständnis des Buches nicht notwendig, diese Quellnachweise und teilweise Erklärungen am Ende zu lesen (ich habe es trotzdem getan).

Auch wenn Selkes Darstelllung der Tafeln sehr einseitig ist - sicher haben solche Organisationen auch ihre positiven Seiten - kann ich dieses Buch für Interessierte nur weiterempfehlen!