Schattenblüte

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myrielle Avatar

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**Inhalt:**
Luisas kleiner Bruder ist tot. Seitdem ist nichts mehr wie zuvor. Fluchtartig musste sie mit ihren Eltern den alten Wohnort verlassen und jegliche Erinnerungen zurücklassen. In der neuen, kalten Wohnung in Berlin scheint Luisas Leben keinen Sinn mehr zu haben und so will sie es beenden. In letzter Sekunde wird sie von einem geheimnisvollen Jungen aufgehalten, der ihr zugleich das Versprechen abnimmt, dass sie nicht noch einmal versuchen wird sich umzubringen. Verwirrt und zugleich fasziniert von diesem Jungen, verspricht sie es ihm und obwohl er von einem Wiedersehen Abstand nehmen möchte, macht sie sich auf die Suche nach ihm.
Im Wald findet Luisa Thursen, den geheimnisvollen Jungen, wieder. Zusammen mit einer Bande Jugendlicher und ein paar Wölfen scheint er hier zu leben. Obwohl er weiterhin Abstand bewahren will, lernt Luisa die Gruppe besser kennen und kommt ihrem Geheimnis auf die Spur. Zuerst ist sie völlig verängstigt, merkt dann jedoch, dass Thursen und seine Freunde ihr gut tun und sie die Gruppe nicht missen, im Gegenteil, ihr sogar beitreten möchte. Das Vergessen lockt. Doch dafür müsste sie mehr aufgeben, als ihr altes Leben und ihre neue zarte Freundschaft mit dem kleinen Nachbarsmädchen Lotti- oder sie muss zusehen, wie sie eine weitere geliebte Person verliert.

**Meine Meinung:**
Wer hier eine von vielen paranormalen Liebesgeschichten erwartet, hat weit gefehlt. „Schattenblüte“ ist mehr als das, kein Anschmachten des strahlenden Helden über die gesamte Geschichte hinweg und keine verbotene oder Hass-Liebe. Zwar entwickelt sich die junge Liebe zwischen den beiden Protagonisten (leider) ziemlich rasch, doch ich finde, das passt noch gut ins Konzept von Luisas Verzweiflung und der Suche nach jemandem, der genau dieses Gefühl nachvollziehen kann. Die Geschichte ist insgesamt stimmig und gefühlvoll erzählt, mit den verschiedenen Themen wie Trauer, Verlust, Demütigung und Liebe wird sensibel und mit viel Tiefgang umgegangen.

Auch die Charaktere werden allesamt liebevoll umzeichnet. Es dauert zwar grade bei Thursens Freunden ein paar Seiten, bis man allen Namen jemanden zuordnen kann, aber dafür sind sie alle etwas Besonderes mit einer eigenen Geschichte, die deutlich macht, warum sie zu dieser Gruppe gehören. Ausfallend gut hat mir zudem das kleine Nachbarsmädchen von Luisa gefallen, die irgendwie einen süßen Farbklecks in der Geschichte dargestellt hat und bei der Entwicklung Luisas keine unerhebliche Rolle spielt.

Besonders ist außerdem Nora Mellings außergewöhnlicher Schreibstil. Die Geschichte im Präsens zu lesen ist zwar anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, ebenso wie die kurzen Sätze, aber sonst zeugt der Stil von Detailliebe und Einfühlungsvermögen. Die düster melancholische Atmosphäre, die dadurch in „Schattenblüte“ geschaffen wird, könnte besser gar nicht passen und bereitet Herzklopfen. Als Leser fühlt und hofft man mit Luisa hautnah und uneingeschränkt mit, ja der Schreibstil passt sich sogar ihrer Entwicklung an und wechselt von kurz und traurig in Richtung lebhaft und farbig.

> Für mich riecht sie, wie viele Kinder riechen. Nach frischer Luft und Schokolade und Kitzellachen und bunten Kleidern. Nach Fahrrad und Aprikosen. Manchmal süß und rosa vom Prinzessinnenspiel. Manchmal, an dunklen Kuscheltagen, riecht sie wohl eher nach Teddybär.
> (Schattenblüte: Die Verborgenen S.317)

Originell ist vor allem die Idee der Werwölfe, die Nora Melling hier schafft. Von den Lykanthropen, die bei Vollmond zu reißenden Monstern werden oder der aktuellen Trendversion des sexy Tiers im Manne wurde hier passenderweise Abstand genommen. Jugendliche, die sich aus den verschiedensten verzweifelten Gründen in Wölfe verwandeln, um ihr Leid zu vergessen, ist außergewöhnlich und neu, und hat mich absolut begeistert.

**Fazit:**

Insgesamt hält „Schattenblüte“ viele tolle Momente und auch Überraschungen bereit. Es ist eine poetische, düstere und spannende Geschichte, deren Hauptaugenmerk weniger auf der Fantasy, vielmehr aber auf den Gefühlen der Charaktere beruht und damit das Herz berührt!