Wenn die Fassade bröckelt

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kahabooks Avatar

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Der Roman beginnt atmosphärisch stark. Ein idyllisch gelegener Ort. Mitten im Grünen, wo andere Leute Urlaub machen. Und trotzdem entsteht bereits nach wenigen Seiten ein Gefühl der Unruhe und subtilen Bedrohung. Denn bei der Feier für Simon gibt es einen mutwillig herbeigeführten Stromausfall. Er selber bekommt eine anonyme Nachricht, verbirgt dies aber vor seiner Frau Lisa. Das heruntergekommene Hotel von Lisas Familie, mit seiner kaputten Heizung und dem Hauch vergangener Zeiten, verstärkt die beklemmende Stimmung. Besonders auffällig ist Danielas merkwürdige Weigerung, das nicht beheizbare Hotelzimmer zu verlassen, ein Verhalten, das Fragen aufwirft.

Der Schreibstil ist ruhig, aber eindringlich. Emotional, präzise und fesselnd. Man möchte zu diesem Zeitpunkt unbedingt wissen, was sich hinter den Fassaden der Figuren versteckt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Lisa, eine warmherzige, hilfsbereite Frau mit einem ausgeprägten Bedürfnis, für andere da zu sein. Sie unterstützt Freunde, Familie und sogar Hotelgäste wie Daniela, die in dem kleinen Ort ein neues Leben beginnen möchte. Lisa ist jemand, der sich selbst zurücknimmt, um anderen zu helfen.

Doch je mehr Daniela in der Gemeinde Fuß fasst, desto stärker gerät Lisa ins Abseits. Die Dynamik kippt. Aus der Unterstützerin wird eine Außenseiterin. Lisa wird von ihren Freunden gemieden. Die Beweggründe dafür bleiben unklar. Daniela hingegen übernimmt zunehmend Raum, nicht nur im sozialen Gefüge des Ortes, sondern auch in der Erzählstruktur des Buches.

Daniela wirkt auf mich keinesfalls sympathisch. Eher übergriffig und aufdringlich. Umso irritierender ist der Kontrast zur Darstellung im Buch. Dort will man sie unterstützen und integrieren. Man hilft ihr, um Freunde und eine Wohnung zu finden. Diese unterschiedliche Wahrnehmung finde ich absolut widersprüchlich und unglaubwürdig.

Es ist durchaus interessant zu lesen, wie eine einzelne Person ein bestehendes Gefüge beeinflussen und ins Wanken bringen kann, doch ist es in diesem Ausmaß realistisch? Warum wird keiner misstrauisch? Warum glaubt man Daniela mehr als Lisa, obwohl sie Lisa seit Jahren kennen? Was sind das für langjährige Freunde? So habe ich meine Schwierigkeiten damit, die Handlungen einiger Personen nachzuvollziehen.

Insgesamt hat mich dieses Buch leider unzufrieden zurückgelassen. Ich habe schlicht und ergreifend die Beweggründe von Daniela nicht verstanden. Ich will hier nicht spoilern und zu sehr darauf eingehen, aber warum ist sie nach Herzogsbronn gekommen? Was ist ihr Hintergrund? Was ihre Intention? Obwohl das Buch ihr Auftauchen und ihre Wandlung thematisiert, sind mir ihre Ziele und Absichten komplett schleierhaft geblieben. Ihre Rolle wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.