Berührend und beeindruckend

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moosmutzel Avatar

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Dresden 1945 - kaum vorstellbar, was in dieser Nacht vom 13. auf den 14. Februar in unserer Landeshauptstadt stattgefunden hat. Wir alle kennen aber noch die Ruine der Frauenkirche und können nun mittlerweile immer wieder bewundern, was aus daraus nach jahrelanger, herausragender Arbeit geworden ist.
Als gebürtige Sächsin fühle ich mich Dresden sehr verbunden und so war dieser Roman für mich quasi ein Muss und es hat sich geloht. Ich mag es, wenn man die Orte in dem Buch selbst kennt und vor seinen Augen hat.

Drei Generationen, drei Frauen, ein transgenerationales Trauma. Die Perspektive von Lotte nimmt im Buch den größten Raum ein, in Ergänzung zur Geschichte ihrer Enkelin Hannah Anfang der 90er. Lottes Tochter Marlene ist eigentlich das Bindeglied zwischen den beiden, deren Geschichte kommt aber erst am Ende des Buches so wirklich an das Tageslicht, was aber sehr stimmig ist.

Nach der Bombennacht in Dresden 1945 beginnt für Lotte ein neues Leben, aber die Strapazen des Krieges sind noch lange nicht vorbei, im Gegenteil, die Zeit danach ist voller Hunger, Kälte und vor allem Trümmern, die die Bevölkerung noch jahrelang beschäftigen werden. Zeiten des Verzichts, in denen die Sehnsucht nach dem Leben manchmal fast übermächtig wird, nichts wünschen sich die Trümmerfrauen mehr, als ein wenig Normalität. Als Lotte Jakob kennenlernt, in dem sie in an einer Brücke vom Suizid abhält, nimmt sie ihn mit nach Hause und es folgt eine lange Zeit des Kennenlernens und des Schweigens, gibt es doch im Leben des Juden so viel, worüber er nicht sprechen kann und mag. Auch Lotte kämpft noch mit ihrer verlorenen Liebe Leo, ebenfalls ein Jude, und sie hat sich vorgenommen, diesmal alles besser zu machen.
Auf der anderen Seite stehen in dieser Zeit aber auch Menschen wie Achim, die ihre Nase immer wieder in den entsprechenden Wind des jeweiligen Regimes gehalten haben, und so heil durch alle Diktaturen gekommen sind.

Und dann ist da noch Hannah, sie arbeitet nach ihrem Architekturstudium im Jahr 1993 auf der Baustelle der Dresdner Frauenkirche und ist an der Umsetzung des Wiederaufbaus beteiligt. Ihre Mutter Marlene ist vielbeschäftigte Bürgermeisterkandidatin, ohne viel über ihre eigenes Leben preiszugeben, Kontakt zu Hannahs Oma Lotte gibt es nicht und sie hat bis dato auch nie erfahren, warum. Dann findet sie bei den Aufbauarbeiten ein Foto aus einer Sammlung und es verschlägt ihr fast die Sprache, sieht dieses Bild der Trümmerfrau ihr und ihrer Mutter doch wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Wer ist diese Frau? Und was verbindet sie miteinander?

Die beiden abwechselnden Erzählungen aus der Nachkriegszeit der Trümmerfrauen und dem Wiederaufbau der Frauenkirche in den 90ern ergänzen sich wunderbar, die Geschichte baut sich Stück für Stück zu einem großen Ganzen auf und man will einfach immer wissen, wie es weiter geht und wie die Geschichten am Ende zusammenführen.

Es ist ein wahnsinnig berührendes Buch, das auf den ersten Blick wie ein kitschiger Liebesroman erscheinen mag, jedoch so viel Tiefe, so viel Ehrlichkeit hat und aufzeigt, welche Pakete die Nachkriegsgenerationen und auch noch deren Nachfahren mit sich herum tragen müssen und wie wichtig es eigentlich ist, diese ehrlich aufzuarbeiten, um diese Traumata zu besiegen. Das Buch ist viel zu bewegend und geschichtlich viel zu tiefgründig und interessant, um kitschig zu sein. Ein Roman mit Nachwirkung, den man gelesen haben muss.