Beeindruckender Roman über Trauer und Verlust

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nessie6 Avatar

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Mit „Schlangen im Garten“ ist Stefanie vor Schulte ein bewegender Roman gelungen, der Adam Mohn und seine drei Kinder Steve, Linne und Micha nach dem Tod seiner Frau Johanne begleitet. Die Familie verbringt die Sommermonate in lähmender Trauer und es gelingt ihnen kaum, den Verlust der Ehefrau bzw. Mutter zu verarbeiten.
Im Verlauf des Romans treffen die Familienmitglieder mit Brassert, Bille und Marlene auf weitere Menschen, die von verschiedensten Verlusterfahrungen geprägt sind und durch ihre Geschichten einen Abschied von Johanne ermöglichen. Eine besondere Rolle nimmt dabei der Trauerbeauftragte Ginster ein, der wegen „verschleppter Trauerbewältigung“ im Umfeld der Familie ermittelt und dessen eigene Geschichte beim Lesen ebenso berührt wie die der Familie Mohn.
Dass man als Lesende:r Anteil am Schicksal der einzelnen Familienmitglieder nimmt, liegt zum einen am Schreibstil vor Schultes, der durch häufig unvollständige Sätze, Wiederholungen und teils sperrige Formulierungen fesselt. Zum anderen verwendet die Autorin eindringliche Bilder, um die Gefühlswelt der Familienmitglieder und ihren Umgang mit dem Verlust zu schildern. Besonders der Umgang mit den Tagebüchern Johannes, mit deren Verzehr das Buch beginnt, zählen dazu, aber auch Michas Wahrnehmung seiner Mitmenschen haben mich berührt.
Außerdem bewirken die häufig wechselnden Perspektiven, dass das handeln aller Mohn nachvollziehbar ist: Mal ist der Student Steve im Fokus, der nach dem Tod der Mutter wieder zuhause einzieht, mal Linne, die schon vor dem Tod der Mutter nicht wusste, wohin mit ihrer Wut, mal Adam, der sich durch den Tod seiner Frau als völlig handlungsunfähig empfindet. Die Figur, die mich am meisten beeindruckt hat, ist jedoch der jüngste, Micha.
Auf eine Begegnung seinerseits ist auch der Titel zurückzuführen, dessen Bezug zum Roman ansonsten jedoch nur vage bleibt. Auch die Bildauswahl des Covers ist, wie man es vom Diogenes-Verlag kennt, eher eine Interpretation einer Figur (in diesem Fall, wie ich vermuten würde, Johanne) als eine unmittelbare Illustration des Inhalts.
Das passt insofern zum Roman als dieser von den Lesenden vielfach auch eine Interpretation des Geschriebenen fordert „Schlangen im Garten“ ist kein Buch „für zwischendurch“, dass man liest und wieder vergisst, sondern dessen Inhalt über die Lektüre hinaus beschäftigt – mich hat es nachhaltig beeindruckt!