Der Mensch und die Trauer

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jidewi Avatar

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Man sagt, sie kommt in Wogen, Wellen, sie verhält sich wie Ebbe und Flut, wie die Gezeiten. Sie kommt und geht, wie es ihr passt. Sie ist wie der reinste April, von strahlendem Sonnenschein wechselt sie von jetzt auf gleich in einen prasselnden Regenschauer und einen grauen, wolkenverhangenen Novembertag. Aber manchmal ist sie einfach nur innere Leere, dunkle Gedanken und verdrängt alles Licht. Manchmal ist sie das allumfassende Nichts, die unsichtbare Konstante im Bunde, die niemand eingeladen hat. So empfindet das auch Familie Mohn nach dem Verlust von Mutter Johanne.

Nach dem tragischen Verlust kämpft jeder in der Familie Mohn mit den Begleiterscheinungen. Es findet jedoch keine richtige Trauerarbeit statt, weshalb sich Ginster vom Traueramt nun dieser Familie annimmt. Schnell merkt auch er, dass er es mit einem besonderen Fall zu tun hat und das es ihm immer schwerer fällt, professionelle Distanz zu wahren.

Ich war bereits ein Fan von Stefanie vor Schultes Debütroman und habe mit Spannung diesem neuen Roman entgegengefiebert. Mag die Geschichte eine komplett andere sein, ist sie wiederum erfrischend anders, skurril und watet mit märchengleichen, teilweise absurden Elementen auf, die die Visualisierung so interessant zeichnen. Herausragend ist wiederum ihre Begabung für Sprache und die Tiefe zwischen den Worten, die eine realistische Geschichte in andere Sphären katapultiert, dabei immer den Kern der Botschaft bewahrt, den ich auch in diesem Fall als besonders lehrreich empfinde. Die Figuren sind bunt, vielseitig und dabei vielschichtig gezeichnet, die Handlung hat ihren eigenen Twist und die Thematik ist mir persönlich sehr nahe. Trauer und Tod sind die ungefragten Begleiter, denen wir von Beginn an unbewusst zugesagt haben. Wir können einen Bogen um sie schlagen und sie meiden, aber es ändert nichts daran, dass ein jeder sie ins Leben lassen muss. Wichtiger als die Fokussierung auf den Tod, Trauer und Tränen ist jedoch alles, was bleibt. Denn so funktioniert das Spiel auf diesem Schachbrett des Lebens und wir ziehen weiter, weil wir uns dem Fluss der Gezeiten nicht entziehen können.