Eindrücklich, berührende Geschichte über Verlust & Trauerarbeit

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luna80 Avatar

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„Ob die Dinge die Mutter wohl auch vermissen. Zwei Woche nach ihrem Tod zerschellt die Teekanne. Später folgen hier und da Teller und Tassen. Ein besonders alter Pfefferstreuer, eine Vase mit Fadenglas. […] Und als wüssten diese Gegenstände um den Verlust, löschen sie sich aus.“ (S. 6)

Johanne ist tot. Sie wird nicht wiederkommen. Sie ist weg. Fort. Für immer. Solange alle anderen leben. Was bleibt übrig, wenn jemand für immer fort ist? Was bleibt von einer Familie, wenn jemand aus ihrer Mitte gerissen wird? Wie kann man der Person, die für immer im Herzen bleiben wird, trotzdem nahe sein, um nicht das Gefühl des Vergessens zu bekommen? Zurück bleiben nur ihre Tagebücher.

„Möbel und Bilder versuchen, das gelebte Leben festzuhalten. Konservieren die Bewohner in ihren Erinnerungen, als hätte man sie in Gelatine begraben.“ (S. 11)

Schmerzliches erfährt die Familie Mohn, als die Mutter, Ehefrau, Gefährtin den Kampf verliert und sich alle nur zerrissen fühlen. Steve, der älteste Sohn, Student, kehrt nach Hause zurück. Der jüngste, Micha, ist paralysiert. Linne, die wütende Tochter, bricht völlig aus, wird aggressiv. Vater Adam, steht neben sich. Und dann ist da noch B. Ginster, der Trauerbegleiter. Die Familie im Auge behaltend, die offensichtlich die Trauerarbeit nicht erledigt, alles ignoriert. Wie soll er denn seine Arbeit ohne deren Hilfe erledigen? Und die Nachbarn, mit tlw. empathielosen Ansichten, ihrer eigene Probleme ohnmächtig, sich lieber konzentrierend, auf das „Unnormal-Sein“ anderer. Die Familie muss doch endlich aus ihrem Tief kommen. Es kann doch nicht ewig so weiter gehen. Und in all diesem Chaos, diesem Weltschmerz, den die vier fühlen, ihrer Machtlosigkeit das Geschehene rückgängig zu machen, finden sie auf humorvoll, wehtuenden Pfaden, in vereinter Kraft mit anderen Menschen, die Wege mit Johannes beschritten, und Zusammenhalt, den Weg zurück ins Leben. Ohne Johanne. Johanne nur mehr in ihren Herzen.

Die Autorin hat für mich hier wieder ein tolles Werk geschaffen. Der Schreibstil ist unverkennbar. Der Umgang mit den Emotionen, verwoben mit dem Unverständnis Fremder ist extrem gut gelungen. Die Herausarbeitung von Themen der Trauer, des physischen Da-Seins, aber psychischen Weg-Seins hat in mir nie Unwohlsein aufkommen lassen. Der Umgang der Gesellschaft, mit der Ohnmacht des Vaters … so treffend! Fremde verstehen immer erst, wenn sie selbst Betroffene sind. Die Entwicklung der Figuren ist fein ausgearbeitet und ich habe jede Zeile genossen, mitgefühlt, mein Herz hat sich an so vielen Stellen zusammengezogen und dennoch konnte ich mich auch mitfreuen, wenn es Schönes zu lesen gab.

Dies ist kein Wohlfühlbuch. Es ist eines voller Trauer, die spürbar und fühlbar ist. Wir sind beim Lesen Begleiter*innen in einem Trauerprozess von vier Menschen. Dennoch lohnte sich für mich jede Zeile dieses wunderbaren Buches.