Surreal

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
mike nelson Avatar

Von

Surreal. Stefanie von Schultes zweiter Roman irritiert, weil er ein wenig verrückt ist. Er verrückt im wahrsten Sinne des Wortes unsere Wahrnehmung, lädt uns dazu ein, eine völlig neue Sichtweise auf die Dinge einzunehmen, verfremdet die uns vertraute (Wahrnehmuns-) Welt; ein Stilmittel der Autorin, welches wir bereits aus ihrem Erstling kennen, welches das schnelle 'Begreifen' der Geschichte zwar nicht erleichtert, auf der anderen Seite aber auch ziemlich fasziniert. "Adam umfasst Michas Schultern. Tastet ihn ab. Ist er noch heil. Außen scheinbar unversehrt, aber innen, Er weiß genau, dort müsste er schauen, aber wie soll es ihm gelingen." Was für uns in unserer Welt eine Frage wäre, präsentiert die Autorin nicht als eine solche. Dafür erleben wir, wie eben dieser Adam in die Tüten einer Stadtstreicherin eintaucht, in denen sich eine andere Welt offenbart - die der verstorbenen Johanne, seiner Ehefrau und Mutter von Micha, Linne und Steve. Die Geschichte in "Schlangen im Garten" ist die Beschreibung der Zeit nach einem Verlust, die Beschreibung einer - aus unserer gewohnten Perspektive - ganz anderen Art, mit der Trauer umzugehen. Und die Nachbarn beobachten die Familie Mohn mit Sorgfalt, um zu kontrollieren, ob sie auch 'richtig' Trauerarbeit leistet. Und hiezu werden auch Trauerbeamte eingesetz: "Trauerbeamter zu sein bedeutet vor allem, die Dinge im Fluss zu halten. Verschleppte Trauerarbeit wieder in Gang zu setzen. Wer beim Trauern auffällt, richtet gesellschaftlichen Schaden an. Es macht Ärger, wenn einer seine Arbeit aufgibt, wie Adam es getan hat. Wenn Studenten ein Semester aussetzen wie Steve. Wenn Kinder aus der Reihe tanzen, wie diese Kinder. Es gilt, das Sterben generell fernzuhalten, denn sonst wird nicht mehr richtig gelebt und konsumiert." Und in der Tat - Familie Mohn trauert anders, fast schon in einer Parallewelt, angefüllt mit Magie; da haben Taschen eine Namen, da werden die Tagebuchseiten der Verstorbenen nach und nach verspeist (Erinnerungen einverleibt); man begibt sich mit einem imaginieren Boot (der umgedrehte Küchentisch) in eine andere Welt und die Welt konstruiert sich über Geschichten, die an Bäumen wachsen und Erinnerungen wollen erzählt werden, nur so können sie auch 'verwurzeln'... In der Tat - Verlust und Trauer erschüttern die vertraute Welt, nichts ist mehr, wie es vorher war! Und Stefanie von Schulte gelingt die literarische Umsetzung hierzu!! Hervorragend!!!