Verstörend und großartig

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bücherfreund54 Avatar

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Ein Mann verliert seine Frau, drei Kinder verlieren ihre Mutter. Wie können sie mit diesem Verlust fertig werden? Dieser Frage geht Stefanie vor Schulte in ihrem zweiten Roman nach. Und sie tut das auf eine sehr ungewöhnliche Weise, die einen aufmerksamen Leser verlangt, der bereit ist, sich auf den außergewöhnlichen Sprachstil einzulassen. Eine durchgehende Handlung fehlt. In einzelnen Episoden wird gezeigt, wie unterschiedlich die Familienmitglieder mit ihrer Trauer umgehen und wie sie doch als Familie auch ohne Frau bzw. Mutter zusammenfinden.
Die Grenze zwischen Realität und Imagination wird immer wieder aufgehoben, vor allem in dem Schlusskapitel, in dem ein umgedrehter Küchentisch zu einem Boot wird und die Familie einer imaginären Spur der Frau/Mutter folgt und schließlich auf einer Insel landet, auf der die Mutter einmal in einer Hütte vermeintlich gelebt hat: „Sie ist leer. Johanne ist hier nicht mehr. Nur wenige Dinge sind noch übrig. Aber in diesen scheint ein Laut, ein Duft eine Seele geborgen.“
Dem Leser wird es nicht leicht gemacht, eine rationale Handlungslogik fehlt. Aber es geht ja eben um eine innere Handlungslogik, um den Versuch, seelische Vorgänge in der Handlungsweise von Figuren deutlich zu machen. Das ist verstörend, aber großartig gelungen.