Voller Hoffnung und Wärme

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fraedherike Avatar

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„Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe.“ (S. 5)

Überall Sommergeräusche, nirgends Dunkelheit, in die sie hätten flüchten können. Sie wollen die Augen schließen und hoffen, dass alles nur ein Traum ist. Dass Johanne, ihre Mutter, nicht gestorben ist, sondern am nächsten Morgen mit heißer Schokolade am Frühstückstisch auf sie warten würde. Doch sie ist fort. Für immer. Das Einzige, was von ihr geblieben sind, sind die Erinnerungen – und ihre Tagebücher. Jeden Abend sitzen Adam und seine Kinder Steve, Linne und Micha beisammen und reißen Johannes Worte in Streifen und Schnipsel, essen Wort für Wort, um sie nicht zu verlieren.

„Was von einem übrig bleibt, kann nicht laut genug von der Fülle erzählen, die man gegeben hat. Es hat ein großes Gefühl gegeben. Und groß soll es bleiben. Da ist es unerheblich, ob die Erinnerung mit der Vergangenheit übereinstimmt. Es gilt, die Erinnerung in Staunen zu versetzen.“ (S. 74)

Eines Tages: ein Brief vom Traueramt. Ihnen wird „verschleppte Trauerarbeit“ vorgeworfen, den Nachbarn ist das auch schon aufgefallen. Komisch verhalten sie sich, diese Mohns. Fortan soll Ginster, ein Mitarbeiter des Amts, die Familie überwachen, verfolgt sie auf Schritt und Tritt, um ihren Trauerprozess zu protokollieren. Doch dann: ein Unfall, eine Rettung - eine Gemeinschaft, deren magische Worte Wunden heilen.

Bereits nach dem ersten Satz wusste ich: Dieses Buch, das wird was ganz Fantastisches. Und der erste Eindruck sollte nicht täuschen. Mit ihrer so markanten, schwerelosen Art, selbst die banalsten Handlungen in etwas Magisches zu verwandeln, erzählt Stefanie vor Schulte in „Schlange im Garten“ eine Geschichte vom Abschiednehmen, vom Trauern und Erinnern, von Zusammenhalt und unendlicher Liebe. Und vom Loslassen, Erwachsen werden, Heilen und Geheilt werden. Es ist dieses Spielerische, die kindlich-fantasievolle Nuance, die sie nebenbei in die Sätze einfließen lässt, die der getrübten, schmerzvollen Atmosphäre etwas Märchenhaftes verleiht, die so bitter nötige Hoffnung. Einfühlsam gibt sie den Kindern und ihrem Vater Raum, ihr Innerstes, ihre persönlichen Erinnerungen, Ängste und Wesenszüge, zu entfalten, und ermöglicht es ihnen so, gerettet zu werden. Und nicht zuletzt auch, dem ihnen ungefragt auferlegtem Stigma zu entheben, den Erwartungen der Nachbarn, der Gesellschaft, wie sie zu trauern haben, die von ihnen immer als „die Familie mit der toten Mutter“ reden wird.

Es ist eine Geschichte, die das Herz in der Faust der Worte eng macht, gleichzeitig aber eine alles erstrahlende, wärmende Hoffnung innehat, die bis in die Zehenspitzen kriecht. Und glücklich macht. Unfassbar glücklich und hoffnungsvoll.