Wenn Trauer nicht endet

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"Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe."

Mit dieser ungewöhnlichen Variante der Trauerarbeit beginnt dieses Buch. Nicht nur Adam muss mit dem Verlust seiner Frau fertig werden, sondern auch seine beiden Kinder Linne und Micha. Während es Adam zunehmend schwerer fällt, sein Leben weiterzuführen, formiert sich die neugierige Nachbarschaft. Diese ausgedehnte Art der Trauer erregt ihr größtes Missfallen. So wie auch einem Mitarbeiter des Traueramtes, seines Zeichens Experte für verschleppte Trauerarbeit...

Nachdem mich 'Junge mit schwarzem Hahn' zu Beginn des Jahres sehr begeistert hatte, war ich sehr gespannt auf den neuen Roman der Autorin. Und der beginnt, wie man eingangs gesehen hat, mit einem sehr ausdrucksstarken Auftakt. Ähnlich starke Bilder ziehen sich durch das gesamte Werk und sind für mich eine ganz große Stärke dieses Buches.
Auch wenn dieser Roman zeitlich und thematisch ganz anders verortet ist, geht es auch hier um Verlust und Neuorientierung. Allerdings in völlig anderem Gewand. Das war zum Teil etwas skurril, hatte aber auch immer wieder berührende Momente.
Sowohl die trauernde Familie als auch die Nebenfiguren sind von der Autorin gut eingefangen worden. Jeder hat auf seine Art etwas sehr Spezielles und das macht die Dynamik dieser Geschichte aus.
Sehr gut dargestellt fand ich den Aspekt der sozialen Kontrolle in Person des Trauerbeamten Ginster, der die Familie beginnt zu umkreisen. Die bieder-verlogene Kulisse und einige andere Motive haben mich streckenweise an Edelbauers 'Das flüssige Land' erinnert. Ist erst mal kein Nachteil.
Allerdings wusste ich lange Zeit nicht wirklich, wie ich das Ganze einordnen soll. Realität und Fantasie greifen immer wieder ineinander und das macht es den Leser*innen nicht immer leicht, die Geschichte zu fassen.
Bis sich im letzten Drittel plötzlich eine Entwicklung anbahnt, die zwar unerwartet und ungewöhnlich ist, aber durchaus Sinn macht. Für mich ein stimmiges und wirkliches schönes Ende.
Auch wenn ich den Roman nicht ganz so stark finde, wie den Jungen mit dem schwarzen Hahn, gibt es auch für die Schlangen im Garten eine Leseempfehlung von meiner Seite. Dies liegt nicht zuletzt an der prägnanten und kraftvollen Sprache der Autorin, die etwas ganz Eigenes an sich hat. Lese ich einfach gerne.