Der Mann der viele Fährten und Wendungen

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indi0815 Avatar

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Nesboe lockt, wie kaum ein anderer, den Leser auf die unterschiedlichsten Abwege. Der Schneemann ist aber nicht so undurchschaubar (zumindest für mich), wie der Erlöser, den ich allerdings gehört habe, was doch häufig zu einem anderen empfinden führt.
Dafür ist das aktuelle Buch irgenwie beklemmender, persönlicher, sehr stimmungvoll - geht viel schneller an die Substanz. Auch wenn die Zahl der Kuckuckskinder etwas hoch gegriffen erscheint (im europäischen Schnitt circa 9 %), tut dies der Geschichte keinen Abbruch. Schließlich muss nur der Täter an die etwas überhöhte Statistik glauben. Schön spinnt Nesboe sein Ermittlungsnetz, lange bedeutet eine neue Erkenntnis wieder eine größere Verwirrung. Lange konnte ich über das eigentliche Motiv des Täters rätseln, auch schon, als ich einen Verdacht hatte, wer der Täter wäre.
Nesboe verknüpft auch in diesem Buch wieder Spannung mit moralischen Fragen: Wann hintergeht man einen Partner? Wie gravierend ist ein Seitensprung? Braucht mancher den Rückschritt zum Ex-Partner, um ganz loszukommen?
Ein allgemeingültiges Rezept wird nicht vermittelt, braucht es auch nicht, bei einem (filmreifen) Happy-End ![{#emotions_dlg.wink}](/modules/tinymce/tinymce/jscripts/tiny_mce/plugins/emotions/img/smiley-wink.gif "{#emotions\_dlg.wink}").
Langsam frage ich mich, ob "alle" skandinavischen Ermittler Einzelgänger, Alkoholiker, mit Eheproblemen belastet sind. Natürlich sind sie dennoch liebend, liebenswert mit ihrer schrulligen Art und fürsorglich zu ihren (Stief)Kindern? Dieser Stereotyp ist etwas nervend, auch wenn Harry Hole in diesem Buch eine Ermittlerin an die Seite gestellt bekommen hat, die jedoch, wie es scheint, nur ein kurzes Gastspiel gegeben hat.
Nicht alle Hinweise werden mit vernünftigen Auflösungen ausgeführt, allerdings kann dies auch am Tempo liegen. Manche Ergebnisse wirken dadurch recht aufgesetzt. Vielleicht muss der Autor noch "lernen", dass nicht jeder Ermittlungsfetzen am Ende geklärt sein muss, vieles davon ist für den Leser eher unwichtig. Das Leben klärt schließlich auch nicht alles auf ![{#emotions_dlg.wink}](/modules/tinymce/tinymce/jscripts/tiny_mce/plugins/emotions/img/smiley-wink.gif "{#emotions\_dlg.wink}")
Mangelhaft empfinde ich die Beschreibung und den Klappentext:
Hier wird sogar darauf hingewiesen, dass es Katrine nicht war! Was soll das? Der Leser erfährt dies im Buch erst im letzten Fünftel! Auch die Bedrohung Rakels, die man sich zwar früh bereits denken kann, greift dem Buch deutlich voraus.
Einzig: _"Jo Nesbøs Kriminalroman Schneemann erzählt eindrucksvoll von der zerstörerischen Macht der Lüge.""_
fast den literarischen Wert des Buches auf den Punkt genau zusammen.
Wie schon bei Mankell tue ich mir auch mit diesem skandinavischen Krimiautor schwer, irgendwie fesseln sie mich - und gleichzeitig auch nicht. Eher stotternd lese ich diese Bücher, wobei gegen Ende das (Lese)Tempo deutlich beschleunigt wird ![{#emotions_dlg.wink}](/modules/tinymce/tinymce/jscripts/tiny_mce/plugins/emotions/img/smiley-wink.gif "{#emotions\_dlg.wink}") Dies liegt jedoch nicht an sprachlichen Mitteln. Die Sprache ist sogar eher schnörkellos, klarlinig - eben irgendwie schwedisch -  zumindest so, wie es hier vermittelt wird.
Ich habe das ganze Buch lang irgendwie mitgefiebert und so sehr spannende Stunden mit diesem Buch verbracht. Genauso sollte ein guter Krimi sein!