In den Erinnerungen graben

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malibu Avatar

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 _Was passiert mit Leuten, die in der Vergangenheit schreckliche Dinge mitansehen mussten? Wenn die Vergangenheit sie irgendwann einholt auf grausamste Art? Egal wie man versucht zu vergessen, es wird einen immer wieder einholen. Mit diesem Thema setzt sich der Autor Marc Raabe in seinem Thriller “Schnitt” auseinander._

Der kleine elfjährige Gabriel beobachtet einen Mord in seinem eigenen Elternhaus. Was also tut er? Er vergisst, ganze 30 Jahre lang. Bis seine Freundin in die Hände eines schrecklichen Psychopathen fällt. Nur er kann sie retten mit seiner Erinnerung, die ihm gänzlich fehlt. Er sucht diese vergeblich in allen Ecken seines Lebens und bringt sich somit und auch andere in Gefahr. Was er auf seinem Weg alles herausfindet, ist erschreckend….

Der Klappentext des Buches verspricht dem Leser einen hochspannenden Thriller, den man kaum zur Seite legen kann. Gleich zu Anfang erhascht man einen Einblick in Gabriels Erinnerung bzw. das, was vor 30 Jahren passiert ist, aber noch lang nicht alles. Durch das Buch hindurch begleitet man ihn auf der Suche nach seiner Freundin und vor allem seinen Erinnerungen. Der Protagonist an sich ist eine etwas eher unsympathische Person, was das Lesen nicht unbedingt leicht macht – denn obwohl der Schreibstil sehr flüssig ist und man kaum stockt deswegen, ist es doch nicht leicht, sich mit dem Geschehen anzufreunden. Gabriel leidet vermutlich unter irgendeiner psychischen Krankheit wie Schizophrenie oder einer multiplen Persönlichkeitsstörung – so scheint es zumindest das ganze Buch über durch. Die Handlung wird zu oft, zu abstrakt gewechselt, so dass man sich immer erst wieder sammeln muss. Das stoppt leider den Lesefluss, den man immer wieder zwischendurch schön bekommt. Vom Mörder weiß man gleich, was es mit seinem Aussehen auf sich hat. Seine Motive bleiben lange unbekannt und da muss man wohl wirklich erst Gabriel in seinen Erinnerungen graben lassen und darauf hoffen, dass diese ans Tageslicht kommen. Hier bleibt die Spannung das ganze Buch durchweg erhalten, da man gespannt ist, wie die Fäden sich zusammenziehen am Ende. Leider sinkt die Spannung aber immer wieder, nur um dann doch wieder zu steigen – das Level wird aber erst gegen Ende wieder voll erreicht. Die Auflösung, die man dann erhält, ist zwar wirr und sehr erschreckend, wenn man sich vorstellt, dass es so etwas in der Realität geben könnte – dennoch macht sie Sinn, zumindest im abartigen Sinne. Was wirklich gut gelungen ist, ist die Verbindung zwischen den beiden Brüdern Gabriel und David, die hat man richtig vor Augen, wenn sie voreinander stehen. Viel Kopfkino gibt es aber sonst nicht her, da man leider öfter das Gefühl hat, dem Geschehen aus weiter Ferne zuzusehen anstatt mitten dabei zu sein und richtig eintauchen zu können.

**Für einen kurzweiligen, unterhaltsamen, regnerischen Tag ist der Thriller aber allemal das Richtige und lässt dem Leser auch ab und zu das Grauen den Rücken herunterfahren. Leider hat der Autor aber öfter einmal zu weit in die Tasche des Fiktiven gegriffen, so dass nicht alles schön zusammenzupassen scheint!**