Bei Schönwalds ist nicht alles schön...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
mrsroman Avatar

Von

Diesen Familienroman zu beschreiben, fällt mir schwer, da dieser laut Klappentext „große, souveräne Roman einer deutschen Familie“ dermaßen vielschichtig sowohl komplizierte Familienkonstellationen als auch gesellschaftliche Probleme der Gegenwart und auch der Vergangenheit beschreibt, dass man aus diesem wunderbaren Buch auch gut mehrere Bücher hätte machen können. Der Autor hat mit seiner ungemein scharfen Beobachtungsgabe die Charaktere des Romans so pointiert angelegt, dass man förmlich in diese Familienkonstellation hineingezogen wird!! im Kern geht es um folgendes:
Es treffen drei erwachsene Kinder mit ihren Eltern in Berlin zusammen anlässlich der Eröffnung eines queeren Buchladens der mittleren Tochter zusammen . Die Eltern, Mitte 70, ein ehemaliger Staatsanwalt und eine Literaturwissenschaftlerin sehen diesem Anlass und dem damit verbundenen Familientreffen erwartungsvoll entgegen, zumal auch der älteste Sohn, ein Literatur Professor aus New York anreisen wird, auf den die Eltern besonders stolz sind. Doch bereits die Eröffnung des Buchladens gestaltet sich anders als gedacht, da eine Gruppe von demonstrierenden Instagrammern mit
sogenannten Migrationshintergrund beanstanden, dass der Buchladen mit einem Nazierbe finanziert worden sei. Dieser plötzlichen Konfliktsituation stellt sich jeder der Beteiligten auf seine ihm eigene Art: während der Vater alles in Ruhe besprechen möchte, hält Ruth, die Mutter an ihrem lebenslangen Standpunkt fest, Konflikte auf sich beruhen zu lassen: “ erkläre niemals dein Verhalten, ignoriere Konflikte" fest.
Chris, der Literatur Professor hingegen stürzt sich in die Diskussion mit den Demonstranten und will diese verbal niederringen, geschult durch seine aktuelle Tätigkeit in New York. Die Buchladen Inhaberin Carolin selbst, bemüht um Aufklärung, bleibt hilflos, der jüngste Sohn Benni - hin und hergerissen zwischen an ihn herangetragenen Erwartungen- beschränkt sich auf die Reinigung des Ladens nach dem Farbbeutel Angriff.
Doch allein bei dieser Konfliktsituation bleibt es nicht, denn es stellt sich heraus, dass das Schweigen und die Sprachlosigkeit in der Familie Schönwald großen Raum einnimmt und sich letztlich die Frage stellt, wie gut man einander kennt- wie verhält es sich mit Erwartungshaltungen? Den eigenen und denen der Eltern, des Partners? Kann man aus seiner erziehungstechnisch angelegten Rolle ausbrechen? Wieviel Wahrheit verträgt Familie?
Der Autor beleuchtet die Probleme der einzelnen Beteiligten und die Situation, in der sie sich gefangen sehen, sehr genau, wobei er
in gewanderter Sprache, teilweise höchst ironisch und äußerst unterhaltsam nicht nur Beziehungsprobleme sondern auch diverse gesellschaftspolitische Aspekte zur Sprache bringt.
An viel Stellen des Buches trifft man auf Situationen, Meinungen, Vorurteile, die die einem bekannt erscheinen - hoher Wiederkennungswert was das eigene Erleben anbelangt - ein rundum toller Roman, der ein ungeschöntes Bild deutscher und auch amerikanischer Realität abbildet! Unbedingte Leseempfehlung!!