Ein Trio aus der Hölle

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constanze_pachner Avatar

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"Was niemand berichtet, ist vergessen." S. 104

Der Roman #Schönwald von Philipp Oehmke ist von der ersten bis zur letzten Seite ein Pageturner - komponiert wie eine mit Stimmungen bezirzend aufwühlende Sonett. Erzersetzt behutsam zuspitzend die Überlebensstrategie des 'Alles unter den Teppich Kehrens' der Wohlstandsfamilie 'Schönwald' in seine Einzelteile. Selbst einer Wohlstandsfamilie entsprungen kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass diese Überlebenstrategie in diesen Kreisen ein weit verbreitetes, allgemein anerkanntes Motto ist.

Doch was passiert, wenn das Brett auf dem die Familie thronend über seine eingemauerten Lebensgewässer treibt, zu wackeln droht? Die Mauern sind zu dicht zum Brechen, um auf einer neuen Wasserstraße von dannen ziehen zu können. Was passiert? Alle verlieren ihren vorgegaukelten Halt, werden nass und verlieren ihre Besen.

Doch worin liegen denn nun einschneidende Probleme mancher Wohlstandskinder und sind sie berechtigt als traumatisch angesehen zu werden?
Sie liegen oft in der emotionalen Verwahrlosung seitens Eltern, die egozentrisch um sich selbst kreisend auf ihren Bällen tanzen und täglich ergobenen Hauptes vorgaukeln, keine Zeit für elementare Stützpfeiler ihrer Heranwachsenden zu haben. Ihr Leben ist dann geprägt von einem nutzlosem Warten, Warten und wieder Warten - auf ein Nichts, auf etwas, was nicht eintritt. Und ein klares JA darauf, dass diese Probleme traumatisch sind, denn sie hinterlassen Wunden, die bis ins hohe Erwachsenenalter offen bleiben.

Von diesen einschneidenden Erlebnissen singt das Trio aus der Hölle ein bewegendes Lied: Chris, der ehemalige Literaturprofessor, Benni, der Hochbegabte, der eine Millionärin geheiratet hat und Karolin, die in Berlin einen queeren Buchladen eröffnet. Sie leiden jeder für sich allein an den Wunden, genießen aber geneinsam ein #mutualunderstanding - ein gegenseitiges Sehen und Verstehen, ohne dass es vieler Worte bedarf. Ein Gefühl, dass ich kenne, da es mich mit meinem verstorbenen Bruder verband und immer verbinden wird sowie es sich mit rasanten Schritten zwischen meiner Schwester und mir entwickelt, da wir nichts mehr unter den Teppich kehren.

Dem Trio aus der Hölle fehlt es wie vielen anderen, die das Erbe von mit Halbwahrheiten sich selbstinszenierend lebenden Eltern tragen müssen, an Urvertauen und halten sich an dem hilflosen Gedanken fest auf Gedeih und Verderb "einfach nicht glücksbegabt" (S. 518) zu sein.
Dieses Trio wickelt um sich ein undurchdringbares, Leser*innen zu tiefst berührendes Band - trotz großer Altersunterschiede, trotz voneinander enorm gespreizter Chrakterwelten sind die Geschwister immer füreinander da, wenn der eine den anderen braucht, unabhäbgig davon in welchen Lebensituationen sich die anderen zu diesem Zeitpunkt befinden. Dies geschieht aus ganz und gar intrinsischer Ehrlichkeit - an keiner Stelle ist hierbei eine Art Pflichtbewusstsein zu spüren. Beeindruckend!

Ich danke dem Autor, dass er mit diesem Geschwistertrio der Schönwalds den traumatischen Wunden von Wohlstandskindern eine Stimme gibt.

Lieben Dank an @vorablesen und dem @piperverlag für dad Rezensionsexemplar!