Familiäre Abgründe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
forti Avatar

Von

Zu Anfang wirkt die Familie Schönwald bürgerlich langweilig, aber das währt nur kurz. Schnell ergeben sich die ersten Abgründe und die Konflikte, Kontroversen und schwelenden Geheimnisse hören bis zum Schluss nicht wieder auf. Die Familienmitglieder sind allesamt herrlich absurd wohlstandsverwahrlost doppelmoralisch. Alle fühlen sich auf selbstgefällige Art und Weise im Recht und sind dabei alle auf ihre eigene Art unerträglich. Das ist sicher überzeichnet, aber jede*r Lesende kann sich wohl irgendwo in oder zwischen den Charakteren wieder finden. Damit kann das Buch zur Selbstreflexion anregen, muss es aber nicht, denn der Autor wertet und verurteilt nicht.
Dabei werden Themen der Zeit wie Queerness, städtische Hipster in Brandenburg, Shitstorms, amerikanische Alt Rights abgehandelt. Und über allem steht das Geld: der Wohlstand, die Selbstverständlichkeit von finanzieller Sorglosigkeit und das (teils unbewusste bzw selbst negierte) Streben nach immer noch mehr Reichtum.
Zwischendurch hat das Roman-Debut des Journalisten Philipp Oehmke schon mal leichte Längen, aber insgesamt fühlte ich mich bitterböse intelligent unterhalten. Ein Spiegel unserer Zeit ohne erhobenen Zeigefinger.