Familienlüge

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rauschleserin54 Avatar

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„Es sei das ewige Besprechen und Auseinandernehmen der Probleme, erklärte sie ihrem
Sohn, das die wahren, auf alle Zeiten unheilbaren Wunden verursache. Die Konflikte auf
sich beruhen zu lassen, sie mit aller Kraft zu ignorieren, sie sogar, wenn man so wolle, unter
den Teppich zu kehren, hingegen sei eine menschlich erprobte und bewährte Überlebensstrategie.“

Wenn ich als Leser diese Worte ziemlich am Anfang von der Mutter der Familie lese,
wird mir übel. Aber ich will auch wissen, wie so eine Meinung entstehen kann und wie jemand
so leben kann und was er den anderen damit antut.

Das Cover soll eine vermeintlich heile Familie zeigen, wenn auch die Gesichter keine
Harmonie versprechen. Auch der Titel, der die ganze Seite einnimmt und aus den Wörtern
Schön und Wald besteht könnte einfach ein Name sein, aber auch ein Gegensatz: etwas Schönes
und etwas Undurchdringliches. Dem Leser bleibt seine eigene Lösung.

Philipp Oehmke versteht meisterhaft mit dieser gutbürgerlichen Familie ein ganzes Gesellschaftbild
zu zeichnen, vom Ende des zweiten Weltkrieges bis heute. Meisterhaft versteht er Stimmungen zu
erzeugen, die mich wütend, traurig, verzweifelt werden lassen.
Dieser Roman ist so vielschichtig, wie die Charaktere Ruth, Harry, Benny, Karolin und Chris
unterschiedlich sind. Um mal nur bei den Mitgliedern der Familie zu bleiben, die hier versuchen
ihr Leben zu meistern.

Aber in dem Moment, wo die Eröffnung des queeren Buchladens gefeiert werden soll, Karolin
ihren Traum verwirklichen will, geschieht etwas Unvorhergesehenes und alles bricht auseinander, nichts ist mehr wie es wahr oder scheinbar war.

Der Leser ist verstört und lernt nach und nach alle Familienmitglieder näher kennen und
er kann sich selbst aussuchen, wen er mag und wie er sich selbst in diesen Charakteren wieder-
findet oder Situationen.
Die sehr vielschichtige und athmosphärisch dichte und gesellschaftlich erkennbare Geschichte
einer Familie aus gutem Hause mit intellektuellem Anspruch reißt den Leser mit und
läßt in mitunter mit ambivalenten Gefühlen am Ende da stehen.

Sehr gut recherchiert und voller Spannung und nicht ohne Empathie für die Figuren.
Danke Philipp Oehmke!Dafür kann es nur 5 Sterne geben und eine klare Leseempfehlung.