Lebensentwürfe

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bücherfreund99 Avatar

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Philipp Oehmkes neuer Roman ‚Schönwald‘ nimmt uns mit auf ein Familientreffen in Berlin und in der Uckermark. ‚Gut situiert‘ dürfte man sie nennen, die Familie Schönwald: Vater Hans-Harald ist pensionierter Oberstaatsanwalt, seine Frau Ruth studierte Literaturwissenschaftlerin, die zugunsten ihrer Kinder auf eine akademische Karriere verzichtet hatte. Die erwachsenen Kinder Christopher, bis vor kurzem noch Professor an einer renommierten amerikanischen Universität, Benjamin, der jüngste der drei, hat eine Milliardärstochter geheiratet und ein Fertighaus in der Uckermark erworben. Karolin Schönwald hat Kunstgeschichte studiert und verwirklicht einen lange gehegten Lebenstraum und eröffnet einen queeren Buchladen in Berlin. Jedes Familienmitglied wird beschrieben in seinen Bemühungen um die Verwirklichung seiner Lebensziele und seiner Definition von Glück.
Zu der Eröffnung von Karolins Buchladen reisen die anderen Familienmitglieder an, jeder mit einem persönlichen Problem im Gepäck, von dem die Verwandten nichts wissen. Während der Eröffnung des Buchladens wird dieser von Internetaktivisten attackiert, die Karolin vorwerfen, der Laden sei mit dem Nazigeld ihres Großvaters finanziert worden. Mit diesem Ereignis bröckeln die Fassaden der Schönwalds und reihenweise treten alte, unausgesprochene Tatsachen ans Licht. Das ‚darüber-nicht reden-Können‘ ist ein Grundproblem der Schönwalds, das vor allem Mutter Ruth zum Prinzip erklärt: „Dein Vater glaubt immer, alles müsse besprochen werden. Das ist ein Irrglaube.“ Oder: „Die Konflikte auf sich beruhen lassen, sie mit aller Kraft zu ignorieren, … sei eine menschlich erprobte und bewährte Überlebensstrategie.“
Philipp Oehmkes Roman ‚Schönwald‘ ist in einer angenehmen und anspruchsvollen Sprache geschrieben, die den Leser immer wieder zum Weiterlesen motiviert. Der Autor verarbeitet zahlreiche aktuelle Themen wie die queere Bewegung, Boomergeneration, Internetaktivisten, GenX/Millenials, Sexismus und die Trump-Bewegung in den USA. Mitunter beschleicht einen das Gefühl, es könnte von manchem etwas zu viel sein. Auch dadurch entstehen im Verlaufe des Romans einige Längen. Insgesamt ist aber der Blick in das Innere einer ‚normalen‘ Familie in jeder Hinsicht interessant und unterhaltsam. Philipp Oehmke ist ein lesenswerter Gesellschaftsroman gelungen, der viel Raum für Diskussionen eröffnet.