Loyalitätskonflikt

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Schon seit Jahren arbeitet Yu Ling als Kindermädchen für eine reiche Familie und kümmert sich liebevoll um den kleinen Kuan Kuan. Eines Tages beschließt sie jedoch, den Kleinen zu entführen, um endlich ein unabhängiges Leben führen zu können. Alles kommt jedoch ganz anders: aus dem Radio erfährt sie, dass Großvater des Jungen wegen Korruption verhaftet wurde und den restlichen Familienmitgliedern dasselbe Schicksal droht. Yu Ling muss sich entscheiden, wo ihre Loyalität liegt und was sie bereit ist, für ihren Job und ihren Schützling aufzugeben.

Zhang Yueran ist eine der einflussreichsten Autorinnen Chinas und gehört zu den wichtigsten Stimmen junger Literatur. „Schwanentage“ ist ihre erste Übersetzung ins Deutsche, verfasst wurde sie von Karin Betz. Der Titel bezieht sich auf die gemeinsame Zeit von Yu Ling, Kuan Kuan und einer Gans, die der Kleine unbedingt freikaufen wollte. So wie er diese Gans als einen Schwan wahrnimmt und von seinem Kindermädchen dabei nicht korrigiert wird, so bewegt er sich auch völlig ahnungslos durch diese schwierige Zeit. Für ihn ist, dank Yu Ling, alles ein einziges Spiel und Abenteuer.

Der Roman macht die Diskrepanz zwischen den beinahe mittellosen, wenig geschätzten Hausangestellten und dem Reichtum, von dem sie umgeben sind, deutlich. So ist es an sich nicht verwunderlich, dass Yu Ling für ihre Treue gerne ein Stück des großen Kuchens abhaben möchte, vor allem ihr neuer Freund Chen Donghu bestärkt sie immer wieder in diesen Gedanken. Während Yu Ling jedoch Gewissensbisse hat, handelt eine weitere Angestellte sofort, als die Vorwürfe gegen die Familie lautwerden und verschwindet mit Schmuck und einem Teil der Einrichtung.

Auch wenn das Thema ein wichtiges ist, plätschert der Roman die meiste Zeit leider nur vor sich hin und beschreibt ausführlich, was Yu Ling kocht und was Kuan Kuan so anstellt. Das Ende jedoch hat es in sich und zeigt noch einmal umso deutlicher, welchem Konflikt Yu Ling ausgesetzt ist und welche folgenschweren Entscheidungen sie treffen muss. Hier ist „Schwanentage“ wirklich stark – die Hinleitung hätte aber kürzer sein dürfen!