Starke Frauenfiguren in einer deprimierenden Welt

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herr_stiller Avatar

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Wie gerne hätte ich „Schwanentage“ ein wenig mehr gemocht. Es ist ein gutes Buch, keine Frage, nur leider kein sehr gutes oder großartiges. Es hat spannende Figuren, tolle Frauen, aber leider sind sie so gefangen in ihren Rollen, dass kein Ausbrechen möglich ist. Das mag realistisch sein, ist aber vor allem auch: deprimierend.

Yu Ling ist Kindermädchen für eine reiche Familie. Und quasi die Ersatzmutter für Kuan Kuan, den kleinen Sohn. Trotzdem plant sie mit ihrem Liebhaber dessen Entführung bis Kuan Kuans Vater und Großvater verhaftet werden und die Mutter untertaucht. Yu Lings Plan ist gescheitert, ihr Freund macht sich stattdessen mit ihren Ersparnissen vom Acker. Und Yu Ling kümmert sich, weil es ja sonst keiner macht, weiter um Kuan Kuan.

Der Anfang, das Grundgerüst, hat mich durchaus neugierig gemacht. Wohin geht diese Reise, was wird aus den Hauptfiguren, aber auch den Nebencharakteren? Davon tauchen einige interessante auf – Kuan Kuans Lehrerin, die Fitnesstrainerin des Vaters, eine geheimnisvolle Person am Telefon der Großmutter, die Mutter des Jungen. Und auch Yu Ling hat ein Geheimnis, das die Familie erst vor wenigen Monaten herausgefunden hat – sie hat Schuld auf sich genommen für ein Verbrechen, dass sie nie begangen hat.

„Schwanentage“ ist als gesellschaftskritisches Buch durchaus gelungen. Es zeigt unterschiedliche Frauenfiguren, die in verschiedenen Rollen gefangen sind. Das Kindermädchen mit einer vermeintlich kriminellen Vergangenheit. Die reiche Tochter, deren Leben vorgezeichnet war. Und einige andere. Aber keine diese Frauen vermag es aus ihrer Rolle auszubrechen. Denn Zhang Juerans Roman ist kein Märchen. Vielleicht ist das auch gut so, ich brauche auch kein Happy End, aber etwas mehr Tiefe, etwas mehr Hoffnung oder auch etwas mehr Gefühl hätte dem Buch in meinen Augen gut getan.

Witz immerhin hat es, das zeigt schon der Titel, denn der „Schwan“, den Kuan Kuan mit nach Hause nimmt und in einem Zelt einquartiert, ist ein Wahrheit eine Gans, aber alle spielen sein Spiel mit. Vermutlich ist auch das eine Metapher dafür, dass die Frauen das machen, was die Männer vorgeben. Auch wenn dieser erst sechs Jahre alt ist.