Obrigado, Senhor Lost!

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singstar72 Avatar

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Ich hatte zuerst Bedenken, mich an dieses Buch zu trauen, da ich die drei Vorgängerbände noch nicht kenne. Aber die Bedenken waren unbegründet. Das Buch ließ sich auch als Neueinsteiger gut lesen und verstehen. Ich vermute nur, dass einem die Entwicklung im Team, die Leander Lost wohl durchmacht, als Dauerleser noch mehr Spaß machen würde. Aber auch so wurde ich bestens unterhalten – nach einem eher verhaltenen Anfang wurde ich so richtig in das Buch „hineingezogen“, und hatte es in zwei Tagen durch.

Ein anderer Grund für Skepsis war für mich das Thema Autismus. Es scheint eine kleine Mode geworden zu sein, Autisten in den Medien als Serienhelden darzustellen. Oft aber gerät das nur zu einer Art allgemeinen Belustigung, ohne dem wirklichen Charakter dieser Menschen Rechnung zu tragen. Ich kenne eigentlich bisher nur ein Buch, in dem ein Autist realistisch und packend dargestellt wird – nämlich in „The curious incident of the dog in the night-time“ von Mark Haddon (ich glaube, auf Deutsch heißt das „Supergute Tage“). Doch ich war positiv überrascht. Leander Lost ist in diesem Buch ein vollwertiger Charakter, über den niemand lacht – auch der Leser nicht. Geschmunzelt habe ich hingegen schon das eine oder andere Mal; wie die Portugiesen sicher auch. Aber Leander hat mich auch unglaublich beeindruckt. Gleich zwei Mal riskiert er in diesem Buch haarscharf sein Leben – weil er als Einziger die logischen Konsequenzen sachlich bedenkt. Er hat mich ein wenig an Spock aus „Raumschiff Enterprise“ erinnert.

Positive Erwartungen hatte ich durchaus – und zwar an den Autor. Ich kenne ihn aus „Die Toten von Marnow“, und weiß ausserdem, dass er Drehbuchautor ist. Das merkt man auch hier wieder sehr deutlich. Die Szenen sind sehr gut proportioniert, die Perspektiven wechseln sich ab. Es geht eben nicht nur um Leander Lost! Sondern um ein echtes Team. Die Handlung empfand ich als ziemlich realistische Polizeiarbeit. Zuerst ein wenig zäh, doch dann sich beinahe überschlagend, mit einem rasanten Ende, das jedem Fernsehkrimi Ehre macht.

Zur Handlung habe ich bisher gar nichts gesagt, wobei ich auch sagen muss, dass ich sie als für diese Rezension nebensächlich empfinde. Es ist ein wirklich guter Krimi, mit einem überzeugenden Motiv, und nur wenigen falschen Fährten. Das halb offene Ende hat mir auch gut gefallen! Eine Winzigkeit könnte man als unlogisch anmerken – dass nämlich Leander Lost als Einziger die versteckten Palindrome in den Briefen des Bombenlegers entziffert. Nur, die sind auf Deutsch! Und das Ganze spielt in Portugal… Kurz, es ist schon seltsam, warum in einem portugiesischen Erpresserbrief ausgerechnet das deutsche Wort „Gier“ verschlüsselt sein soll. Aber vielleicht bin ich da überkritisch.

Hingegen haben mir wirklich viele Dinge wirklich gut gefallen! Es ist nämlich auch kein überbetonter Regionalkrimi. Land und Leute kommen vor, ebenso die (köstlichen!) portugiesischen Essgewohnheiten. Aber eben nicht übertrieben, sondern dezent am Rande. Die Spanier bekommen als Volk ordentlich ihr Fett weg, nämlich in der Figur des einzigen Spaniers im Team, Miguel Duarte! Hier habe ich schon sehr gelacht. Es gibt eine offene und eine versteckte Beziehung im Team – beides fand ich schön geschildert. Überhaupt, wie mit der Liebe umgegangen wird. Auch die Struktur des Buches war gut durchdacht – nach „Tagen“ eingeteilt, und innerhalb dieser wiederum nach Kapiteln. Das hat für einen guten Lesefluss gesorgt.

Kurzum, ich bin so ziemlich begeistert von diesem Buch, und kann es nur empfehlen. Mit dem Hinweis, dass sich sicher auch die ersten drei Bände (und alle weiteren) lohnen!