Diese Dystopie hat mich geflasht

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marieon Avatar

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Sasha und Louis sind auf nächtlicher Patrouille, sie schützen die Grenzen der Siedlung vor möglichen Eindringlingen. Sie haben von weiteren Siedlungen gehört, aber keinen Kontakt. Das Klima war immer heißer geworden. In den Gegenden, die noch bewohnbar waren, ballten sich die Menschen und es kam zu Kämpfen und Kriegen. Danach organisierte man sich in kleineren Einheiten. Sasha sieht zwei Gestalten abhauen, ein anderer liegt auf dem Boden und blutet. Sasha nimmt ihr Gewehr und lässt den Kolben auf den Kopf des am Boden Liegenden krachen. Louis ist schockiert, doch Sasha redet auf ihn ein. Es sei nötig gewesen, sie habe verhindern müssen, dass der Junge redete, man hätte ihnen seine Verletzungen angehangen und möglicherweise exilliert. Es war ein Spiel unter den Jugendlichen, das sich durchgesetzt hatte, ein Nervenkitzel. Sie verletzten sich an Stellen, die sie verdecken konnten. Bis es aus dem Ruder lief.

Ona muss zu Emma werden, der Ehefrau von Gil, die verschwunden ist. Seit mehr als zehn Jahren nun verwandelt sie sich, nimmt die Identität anderer Frauen an. Bei Ona spielte sie den Mutter-Tochter Konflikt mit, bis die Mutter auf Versöhnung aus war, das war nicht abgesprochen und sie kündigte ihren Vertrag. Nun bleiben ihr noch drei Visitenkarten, von denen sie per se zwei Fälle ausschlägt. Der dritte Klient ist Gil, mit dem sie sich nun verabredet. Sie geht in die Bar, die er ausgewählt hat. Sie erkennt den stattlichen Mann sofort, geht auf ihn zu und als er sie ansieht, wirkt er, als wolle er aufspringen und wegrennen. Zur Zeit hat sie noch keinerlei Ähnlichkeit mit Emma. Sie hatte ja bis gestern Ona gespielt und die war mager und etwas ungepflegt. Sie setzt sich und sie kommen ins Gespräch.

Fazit: Amira Ben Saoud hat eine Dystopie geschaffen und ich muss gestehen, dass das Genre nicht so mein Metier ist, aber diese Geschichte hat mich geflasht. Die Autorin hat ein geschlossenes System kreiert, in dem Menschen nach wenigen, aber bestimmten Regeln leben. Außenkontakte gibt es keine und das Verlassen der Siedlung ist lebensgefährlich. Jugendliche langweilen sich in diesem Regelwerk und kommen auf dumme Ideen. Die Protagonistin verdient ihr Geld, indem sie in die Identität anderer Frauen schlüpft, die von ihren Männern oder Müttern vermisst werden. Die Beziehungen waren konfliktreich und die Beteiligten haben Interesse daran, diese Konflikte weiterzuführen. Die Hauptdarstellerin kann sich nicht an ihren Namen erinnern. Im Laufe der toxischen Beziehung, die sie mit Gil nachspielt, kommen ihr Erinnerungen an ihre eigene Herkunft, die sie verdrängt hatte. Die Atmosphäre zwischen ihr und Gil, aber auch innerhalb der Siedlung verändert sich spürbar wie die Ruhe vor dem Sturm. Manch einer nimmt die Entwicklung eher wahr, doch am Ende merken es alle. Die Autorin erzählt aus Sicht ihrer Protagonistin und wirft sie in eine gespielte Beziehung zu einem kontrollsüchtigen Mann und aus Spiel wird Ernst. Obwohl sie schon einiges erlebt hat und vorerst ziemlich abgebrüht wirkt, schafft es dieser Mann, ihr Angst zu machen. Alles wird zunehmend düsterer und verursacht mir Schnappatmung. Was für eine fesselnde Geschichte, die ich bis zur letzten Seite verschlungen habe.