Identitätssuche mit wenig Auserzähltem, viel Atmophäre und viel Spannung

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angie99 Avatar

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„Begegnungen“ heißt der Dienst, der Emma anbietet – doch eigentlich heißt sie gar nicht Emma, Emma ist nur die Person, zu der sie sich gerade verwandelt. Vorher war sie Ona und noch vorher… Sie weiß selbst nicht mehr, wer sie eigentlich einmal war, wer sie ist, wer sie sein möchte.

Onaemmairgendwer lebt in einer dystopischen Zukunft nach der Hitze und den Kriegen, indem die Menschen in verstreuten Siedlungen leben, deren äußere Grenze sie nicht überschreiten dürfen. Genauso, wie auch jegliche Ausübung von Gewalt strikte verboten ist, die sich aber trotzdem illegal ihren Weg bahnt, wie wir gleich auf den ersten Seiten erfahren.

Und ich war von der ersten Seite an gefesselt an dieses Buch mit dem eigentümlichen Setting, in das man ohne jegliche Erklärung geworfen wird. Die Siedlung ist seltsam, die Protagonistin ist seltsam, und doch fließen tröpfchenweise mehr Informationen, die einen unheimlichen Sog entwickeln. Die Siedlung scheint zu bröckeln, aber mit ihrem neuen Auftrag zerfallen sogar „Emmas“ Sicherheiten, in denen sie sich bis anhin gewähnt hat. Unheimlich klug also der Aufbau der Story, der einem als Leser*in immer mehr Einblick in Verhältnisse bietet, welche gleichzeitig für die Hauptprotagonistin immer fremder werden.

Nach ungefähr zwei Drittel des Buches gibt es einen (für mich schwerwiegenden) Bruch in der sonst so spannenden Handlung, in dem Emma nur noch als Marionette auf der Bühne bewegt wird. Mir ist bewusst, dass es hier um die Unfähigkeit und Hilflosigkeit geht, sich aus einer toxischen Beziehung zu befreien. Trotzdem hat das für mich auf diese Weise überhaupt nicht funktioniert, weshalb ich einen Stern abziehe für einen ansonsten außerordentlich guten Roman, der Fragen nach Identität und Zukunft stellt, ohne zu belehren, und den ich sehr gerne gelesen habe.