Klug, temporeich, historisch fundiert

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In „Schwebende Lasten“ erzählt Annett Gröschner die fiktive Lebensgeschichte von Hanna aus Magdeburg – eine Geschichte, die zugleich die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive einer ostdeutschen Arbeiterin ist. Der Roman zeichnet Hannas Weg von der Floristin zur Kranfahrerin nach und verknüpft ihr Schicksal mit den politischen Umbrüchen und sozialen Verwerfungen ihrer Zeit.

Die klare Sprache und die Art, historische Zusammenhänge anhand einer weiblichen Figur greifbar zu machen, haben mich stellenweise an Klaus Kordons „Trilogie der Wendepunkte“ erinnert – eine Reihe von historischen Romanen, die ich früher sehr gerne gelesen habe. Allerdings geht Gröschner in „Schwebende Lasten“ oft noch drastischer in die historisch authentischen und furchtbaren Details. Durch das hohe Erzähltempo hatte ich aber nie das Gefühl, von der Schwere der Ereignisse erdrückt zu werden. Bloß am Ende des Romans wurde es etwas langsamer, das war aber passend zum Ende von Hannas Leben.

Besonders gefallen hat mir Hannas Haltung: Trotz der vielen verzweifelten Situationen, in die sie und ihre Familie geraten, verliert sie nie ihren moralischen Kompass. Sie bleibt anständig, verbreitet weder Hass noch Missgunst. Diese Perspektive fand ich sehr wohltuend, denn sie zeigt, dass es möglich war, trotz widrigster Umstände eine Haltung zu bewahren. Gleichzeitig hebt der Roman hervor, was für unglaubliche Härten gewöhnliche Frauen im 20. Jahrhundert überlebt haben.

Insgesamt ist „Schwebende Lasten“ ein kluger, temporeicher und historisch fundierter Roman. Eine Empfehlung für alle, die sich für deutsche Geschichte interessieren!