Eine Frau, die nie aufgegeben hat

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Die in Magdeburg geborene Autorin Annett Gröschner beschäftigt sich in ihrem Roman „Schwebende Lasten“ mit dem gesamten Leben einer Frau, die bis auf eine kurze Unterbrechung mit Aufenthalt in Berlin durchgängig in Magdeburg lebte, arbeitete und eine Familie gründete. Dabei umspannt das nur 280 Seiten dünne Buch einen Zeitraum von über 80 Jahren, tangiert kurz die Weimarer Republik, die Zeit des Dritten Reichs, die Entstehung der DDR und deren Übernahme durch die BRD. All diese Geschichte passiert hier allerdings vorwiegend am Rande, denn eigentlich geht es um Hanna Krause, die früh ihre Mutter verliert, der polnische Vater nie anwesend, quasi als Vollwaise von ihren Halbschwestern aufgezogen, ausgebildet als Blumenbinderin und mit eigenem Blumenladen ein wenig erfolgreich, wird sie Jahrzehnte lang dafür kämpfen ihre Familie zusammenzuhalten und nicht immer erfolgreich dabei sein. In der zweiten Hälfte ihres Arbeitslebens wird sie in der DDR Kranführerin sein und letztlich daran wachsen. Hier gibt es viel Last, die diese Figur tragen muss, aber auch Momente, die wie ein Dahinschweben in der Zeit wirken.

Sprachlich unaufgeregt erzählt Gröschner von diesem Leben, welches von Höhen und Tiefpunkten gezeichnet ist, aber die Figur Hanna niemals in die Knie gänzlich zwingt. Nach meinem Empfinden passiert dies größtenteils mit einer Distanz zur Figur und einer Art Abgeklärtheit, die viele Ereignisse auf wenige Seiten packt, sodass ich selbst nur selten Hanna und ihrem Befinden nah sein konnte. Nur in einzelnen Szenen, wie ein Feuersturm bei einer Bombardierung Magdeburgs und dessen Folgen, packte mich der Erzählstil und ich konnte mir die Ausmaße dieser Katastrophe sehr genau – wenn natürlich auch nicht ansatzweise originalgetreu – vorstellen. Insgesamt ging mir alles zu schnell, um richtig mit Hanna und ihrer Familie mitzuschwingen. Ihr soziales Umfeld blieb für mich größtenteils nur Namen, ohne konkretes Bild zu ihnen und ihrer Persönlichkeit.

Stilistisch treten den Kapitelanfänge hervor, welchen jeweils ein Eintrag zu verschiedenen Blumensorten vorangestellt ist. So wird hier ein Blumenstrauß zusammengestellt, bei dem man sich fragt: Kann ein Mensch das überhaupt alles erlebt haben? Ähnlich einem Strauß, zu dessen Anfertigung Hanna gebeten wird, der aber gar nicht so zu binden geht, weil die Pflanzen zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Hanna Krause hat zu ganz unterschiedlichen historischen „Jahreszeiten“ gelebt und ihr Leben wird in diesem Buch geschickt zusammengebunden zu einem eng verknüpftem, sehr durchmischten Strauß. Sehr interessant gemacht.

3,5/5 Sterne