Solides Buch
SCHWEBENDE LASTEN
Annett Gröschner
ET: 3.9.25
Annett Gröschner erzählt das Leben von Hanna Kraus, das fast ein Jahrhundert umspannte. Unter schwierigen Bedingungen wuchs sie ab ihrem vierten Lebensjahr in Magdeburg als Waise auf. Mal lebte sie bei der einen Halbschwester, mal bei der anderen – doch keine von ihnen war je liebevoll zu ihr. Stattdessen wurde sie als eine Art „Mädchen für alles“ behandelt.
Hanna liebte Blumen. Geprägt durch eine Halbschwester, die einen Blumenladen führte, erlernte sie den Beruf der Floristin. Nach der Hochzeit mit Karl – vor dem ihre Schwestern sie als „Taugenichts“ gewarnt hatten – eröffnete sie im Knattergebirge einen eigenen Laden. Doch bald sollte sich zeigen, dass die Warnungen der Schwestern nicht unbegründet waren: Karl unterstützte sie kaum, fühlte sich nicht zum Arbeiten berufen und machte ihr stattdessen ein Kind nach dem anderen. Insgesamt brachte Hanna sechs Kinder zur Welt, erlitt eine Fehlgeburt und musste häufig die Dienste einer „Engelmacherin“ in Anspruch nehmen.
Der Krieg zerstörte ihren Blumenladen, Karl verlor im Stahlwerk ein Bein, und Hanna hielt die Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Besonders schwer traf sie der Verlust von zwei Kindern, die sie nie beerdigen konnte – ein Schmerz, der sie ihr Leben lang begleitete. Nach dem Krieg wurde sie, trotz ihrer Höhenangst, in der DDR Kranführerin. Auch wenn das Leben nun etwas ruhiger verlief, blieb es alles andere als langweilig. Bis zu ihrem Tod verlor Hanna nie ihre Liebe zu den Blumen.
Das Lebensporträt von Hanna Kraus habe ich mit gemischten Empfindungen gelesen. Die Stärke dieser Frau ist unübersehbar, und man mag sich kaum ausmalen, welche Wege ihr offen gestanden hätten, wäre ein verlässlicher Partner an ihrer Seite gewesen. Besonders eindringlich sind die Schilderungen der Kriegsjahre – im Mittelteil konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Der Beginn und das Ende hingegen wirken deutlich nüchterner, fast distanziert, und haben mich emotional weniger erreicht. Auch die vielfach hervorgehobene poetische Sprache konnte ich in dieser Form nicht entdecken.
Insgesamt ein solides Buch – ob es für den Deutschen Buchpreis reicht, bleibt abzuwarten.
Lieblingszitat: 😡 (S.82) "Sie wollte kein weiters Kind. Aber für Karl, der nicht mehr gehen und nicht einmal ein Baby im Stehen halten konnte, war es sehr wichtig, dass er wenigstens noch in der Lage war zu zeugen."
Annett Gröschner
ET: 3.9.25
Annett Gröschner erzählt das Leben von Hanna Kraus, das fast ein Jahrhundert umspannte. Unter schwierigen Bedingungen wuchs sie ab ihrem vierten Lebensjahr in Magdeburg als Waise auf. Mal lebte sie bei der einen Halbschwester, mal bei der anderen – doch keine von ihnen war je liebevoll zu ihr. Stattdessen wurde sie als eine Art „Mädchen für alles“ behandelt.
Hanna liebte Blumen. Geprägt durch eine Halbschwester, die einen Blumenladen führte, erlernte sie den Beruf der Floristin. Nach der Hochzeit mit Karl – vor dem ihre Schwestern sie als „Taugenichts“ gewarnt hatten – eröffnete sie im Knattergebirge einen eigenen Laden. Doch bald sollte sich zeigen, dass die Warnungen der Schwestern nicht unbegründet waren: Karl unterstützte sie kaum, fühlte sich nicht zum Arbeiten berufen und machte ihr stattdessen ein Kind nach dem anderen. Insgesamt brachte Hanna sechs Kinder zur Welt, erlitt eine Fehlgeburt und musste häufig die Dienste einer „Engelmacherin“ in Anspruch nehmen.
Der Krieg zerstörte ihren Blumenladen, Karl verlor im Stahlwerk ein Bein, und Hanna hielt die Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Besonders schwer traf sie der Verlust von zwei Kindern, die sie nie beerdigen konnte – ein Schmerz, der sie ihr Leben lang begleitete. Nach dem Krieg wurde sie, trotz ihrer Höhenangst, in der DDR Kranführerin. Auch wenn das Leben nun etwas ruhiger verlief, blieb es alles andere als langweilig. Bis zu ihrem Tod verlor Hanna nie ihre Liebe zu den Blumen.
Das Lebensporträt von Hanna Kraus habe ich mit gemischten Empfindungen gelesen. Die Stärke dieser Frau ist unübersehbar, und man mag sich kaum ausmalen, welche Wege ihr offen gestanden hätten, wäre ein verlässlicher Partner an ihrer Seite gewesen. Besonders eindringlich sind die Schilderungen der Kriegsjahre – im Mittelteil konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Der Beginn und das Ende hingegen wirken deutlich nüchterner, fast distanziert, und haben mich emotional weniger erreicht. Auch die vielfach hervorgehobene poetische Sprache konnte ich in dieser Form nicht entdecken.
Insgesamt ein solides Buch – ob es für den Deutschen Buchpreis reicht, bleibt abzuwarten.
Lieblingszitat: 😡 (S.82) "Sie wollte kein weiters Kind. Aber für Karl, der nicht mehr gehen und nicht einmal ein Baby im Stehen halten konnte, war es sehr wichtig, dass er wenigstens noch in der Lage war zu zeugen."