Auf Val McDermids Spuren

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sago Avatar

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Endlich hat mich wieder das Werk einer deutschen Autorin überzeugt und unterhalten. Für ein Erstlingswerk ist es zudem erstaunlich ausgereift. Man merkt dem Buch an, dass die Autorin an einer Promotion über Val McDermid schreibt. Sowohl Stil als auch Machart (z. B. das Einstreuen von Zeitungsartikeln, Ermittlerduo Polizist(in)/Psychologe bzw. Psychologin) erinnert an McDermid. Dennoch wirkt das Ganze nicht abgekupfert, sondern eher von McDermid inspiriert. Karen Sander vermag es, den Leser zu fesseln und den Spannungsbogen bis zum Schluss zu halten. Zwar war mir die Lösung des Falles schon sehr früh klar, aber ich bin in der Beziehung oft kein Maßstab. Die Hauptprotagonisten, Psychologin Liz Montario und Kommissar Georg Stadler sind runde glaubwürdige Figuren und keine bloßen Abziehbilder. Es stellt sich heraus, dass zwei parallel verlaufene Mordserien, davon eine äußerst bestialisch verübt an Transsexuellen, mit einem Geheimnis aus der Kindheit von Liz Montario verknüpft sind. Dies macht die Handlung besonders interessant. Zu diesem Roman bin ich eher zufällig gekommen, durch ein Versehen bei vorablesen.de. Ich durfte ihn dennoch behalten und rezensieren, worüber ich mich in diesem Fall besonders freue. Zwar lese ich gelegentlich Thriller, hatte diesmal aber vom Abfassen eines Lesedrucks abgesehen, da ich nicht sicher war, ob ich eine neue Serie beginnen wollte. Denn hier soll es sich um den Auftakt zu einer Serie handeln.
Hier meine einzigen Kritikpunkte, weswegen ich nicht die volle Punktzahl vergebe: Zumindest für mich ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Täter zum Teil ausgerechnet transsexuelle Opfer sucht. Diesem Opfertypus bleibt er auch nicht treu. Für mich ist auch nicht glaubwürdig, dass Liz Montario glaubt, den Täter noch von seinem Weg abbringen zu können, selbst nachdem sie erlebt hat, wie unglaublich grausam er ihre beste Freundin abgeschlachtet hat. Schließlich hat sie die Leiche mit eigenen Augen gesehen. Ganz egal wie stark ihre Verbindung zum Täter gewesen sein mag, an dieser Stelle ist ihre Handlungsweise für mich nicht nachvollziehbar und etwas konstruiert, um den Showdown einzuleiten. Und dann noch ein ganz persönlicher Eindruck: Ich bin selbst Autorin und weiß, wie man sich windet, ob der piefigen Wirkung, die deutsche Namen oft verbreiten. Da ist die Versuchung groß, sich für etwas Exotischeres zu entscheiden. Montario kann ich noch nachvollziehen, ob der italienischen Wurzeln der Figur, zumal es sich auch noch um einen Namen handelt, den die Familie freiwillig angenommen hat, um ihre tragische Vergangenheit hinter sich zu lassen. Dass Elisabeth Montario aber dann auch noch Liz genannt wird, ist mir etwas zu viel des Guten. Und ihre Freundin Deborah, genannt Deb, kommt noch hinzu. Da fühle ich mich wie in einem Inspektor Lynley-Roman. Klar, Deutschland ist multikulti usw. Und sicher, der Name des männlichen Protagonisten wirkt da vergleichsweise bieder. Trotzdem, gerade das machte ihn für mich noch glaubwürdiger und greifbarer als Liz Montario. Dass ich solche Kleinigkeiten bemäkele, zeigt aber, wie gut mir der Roman letztendlich gefallen hat. Vielleicht fange ich nun doch eine neue Thriller-Serie zu lesen an. Hut ab vor so einem Erstlingswerk.