Schwesterlein, komm stirb mit mir

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jiskett Avatar

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1. Teil der geplanten Reihe um Elisabeth Montario & Georg Stadler

Inhalt (Buchrücken) :
Du hast mich vergessen, doch ich vergesse nicht.
Eine Frau wird in ihrer Wohnung umgebracht. Regelrecht abgeschlachtet. Hauptkommissar Georg Stadler fühlt sich an einen früheren Fall erinnert. Ein Serienmörder? Keiner der Kollegen glaubt daran: Denn für die erste Tat sitzt bereits ein Mann in Haft.
Stadler bittet eine Psychologin um Hilfe. Liz Montario hat im Vorjahr spektakulär eine Mordserie aufgeklärt. Sie sagt zu, obwohl sie selbst bedroht wird. Denn jemand schreibt ihr anonyme Briefe. Jemand, der sehr viel über sie weiß.
Es kommt zu weiteren Morden. Und Liz beginnt sich zu fragen: ist hier wirklich ein Serienmörder am Werk?
Oder ein Mörder, der einen Serienmörder spielt?

Die Autorin (dem Buch entnommen) :
Karen Sander arbeitete viele Jahre als Übersetzerin und unterrichtete an der Universität, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrem Mann im Rheinland und arbeitet zurzeit an ihrer Promotion über die englische Thriller-Authorin Val McDermed. "Schwesterlein, komm stirb mit mir" ist der Auftakt zu einer Thriller-Reihe um das Ermittlerduo Kriminalhauptkommissar Georg Stadler und Psychologin Elisabeth Montario.

Aufbau + Stil:
399 Seiten, die sich in sehr kurze Kapitel gliedern. Die Kapitel sind mit Datum und Uhrzeit versehen. Zudem gibt es einen vorangestellten Zeitungsartikel von 1996.
Die Geschichte wird von einem allwissenden Erzähler geschildert, allerdings "begleitet" der Leser verschiedene Charaktere. Neben den beiden Protagonisten, die entweder gemeinsam oder getrennt auftreten, sind dies unter anderem Kollegen Stadlers oder spätere Opfer.

Meinung:
"Schwesterlein, komm stirb mit mir" ist ein durchaus gelungener Auftakt für eine Serie. Die Protagonisten sind nicht zu abgefahren, aber auch nicht zu stereotyp, die Kombination Polizist/Psychologin hat eine solide Grundlage - Profiler gibt es ja durchaus, sodass diese Partnerschaft mehr Sinn ergibt als manch andere Kombination von Ermittlern - und der Fall, den Sander für ihren Krimi geschaffen hat, ist interessant. Das Motiv der "falschen Frauen", die systematisch ermordet werden, ist für mich etwas ganz neues und hat mir deshalb sehr gefallen, vor allem, da die Ausgrenzung in der Gesellschaft, unter der sie leiden müssen, sehr real ist und durch die aktuellen Debatten über Gleichstellung gerade recht präsent ist.

Die Tötung "falscher Frauen" war somit ein spannendes Thema für einen Krimi, doch die Umsetzung war nicht fehlerfrei.
Grundsätzlich ist es ein netter Gedanke, dem Leser die Opfer vorzustellen, bevor sie ermordet werden. Leider hat dieses Mittel bei mir keine Spannung erzeugen können. Ja, man hat ein wenig über die Mordopfer erfahren, dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass sie mir nahe gebracht wurden. Es war klar, dass die nun eingeführte Person bald verschwinden und sterben würde, aber ich wartete nicht gebannt auf diesen Zeitpunkt oder hoffte auf einen Ausweg. Es passierte einfach. Die Entführung und letzendlich auf der Tod der Opfer wurde mir nicht nahe gebracht und war keineswegs berührend oder ein schockierender Moment.
Auch sonst war die Geschichte für mich ein wenig vorhersehbar. Als beispielsweise Liz' Freundin im Supermarkt den Mann kennen lernte, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte und es war fast klar, dass es mit ihr kein gutes Ende nehmen würde.
Einige andere Wendungen fand ich hingegend sehr überraschend. Ich wäre nicht darauf gekommen, welche Beziehung Liz zu dem Fall vor 16 Jahren haben könnte und fand die Auflösung glaubhaft.
Wofür man Sander ebenfalls loben muss, ist das Ende. Dem Leser fällt plötzlich alles wie Schuppen von den Augen. Plötzlich fallen alle Puzzleteilchen an seinen Platz - und das gleich zwei Mal. Zum einen wusste ich plötzlich glasklar, wer der Täter ist (vier Seiten, bevor auch das Team darauf kam), zum anderen ergab der Titel des Buches kurz vor dem Ende rückwirkend plötzlich so viel Sinn, dass ich wirklich beeindruckt war. Ich habe mir bei dem Namen gar nicht viel gedacht, aber im Nachhinein kann man sagen, dass es eigentlich der perfekte Titel ist.
Die Auflösung der Mordreihe fand ich ebenfalls ganz gut. Es wirkte nicht konstruiert, sondern ergab Sinn, allerdings hätte ich mir mehr Erklärungen gewünscht, wieso alles gerade jetzt passiert und ob es wirklich nur ein Zufall war, dass der Mörder sich auf diese Methode versteifte.

Das Buch selbst lässt sich gut und flüssig lesen, auch wenn der Stil mir teilweise sehr nüchtern vorkam. Dies ist mir vor allem bei den Tatortbeschreibungen aufgefallen - ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie der Tatort aussieht, empfand aber weder Ekel noch Schock, dabei bin ich sonst recht empfindlich. Deshalb ist mir nicht erklärlich, dass einige Rezensenten von großer Brutalität sprechen... ich empfand die Beschreibungen nicht als brutal. Natürlich, die Vorstellung, dass anderen Menschen so etwas angetan wird ist furchtbar, dennoch ließen die Beschreibungen bei mir kein flaues Gefühl im Magen zurück.

Die beiden Protagonisten harmonieren (meistens) recht gut miteinander - so gut, dass sie am Ende bereits wie ein eingespieltes Team wirken. Dies liegt zum Teil natürlich daran, dass sie zusammen sehr viel erlebt haben, andererseits wirkte es für mich so, als würden sie schon ZU gut harmonieren.
Georg Stadler ist ein sehr sympathischer Charakter. Er ist ein guter Polizist, durchaus risikobereit, dabei aber auch darauf bedacht, sich so gut wie möglich an Vorschriften zu halten, um den Fall nicht zu gefährden. Auch, dass er sich an seine Prinzipien hielt, obwohl man ihn zu einem Zeitpunkt sehr in Versuchung führte, hat mich positiv überrascht. Er hat Ecken und Kanten, dennoch ist er ein glaubhafter Charakter, dessen Weg man gerne verfolgt.
Liz hingegen war mir stellenweise unsympathisch, zudem schien ihr Charakter mir nicht immer logisch zu sein. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass SIE der Mittelpunkt von allem sein muss - was von der Autorin teilweise unterstützt wird. Natürlich ist sie sehr attraktiv und herausragend auf ihrem Fachgebiet - so herausragend, dass sie, obwohl sie persönlich involviert ist, im Endeffekt alles auflösen kann. Zwar hat auch sie Schwächen, allerdings zieht sie kaum negative Konsequenzen aus falschem Verhalten. Sie hält bewusst Informationen zurück und ziert sich, obwohl ihr Leben auf dem Spiel steht. Sie ist schrecklich unvernünftig und handelt aus Trotz heraus. In meinen Augen mangelt es ihr zum Teil gewaltig an dem Verständnis der menschlichen Psyche, das sie theoretisch besitzen sollte.
Nichtsdestotrotz ist Elisabeth kein vollkommen nerviger Charakter. Man muss selbstverständlich auch berücksichtigen, dass sie direkt involviert und selbst eine Zielscheibe darstellte, sodass sie sich in einer Ausnahmesituation befand. Unter anderen Umständen hätte sie vermutlich anders und vernünftiger gehandelt.


Obwohl die Geschichte in sich abgeschlossen ist, würde ich einen zweiten Band (je nach Thematik) vermutlich lesen.
Es würde mich interessieren, wie die Interaktion der beiden sich verändern und wie genau ihre Zusammenarbeit aussehen würde. Zudem bilden auch die Nebenfiguren, die großteils ziemlich vielschichtig wirken, Potential, weitere Geschichten zu unterstützen.
"Schwesterlein, komm stirb mit mir" ist ein im Großen und Ganzen gutes Buch, das man schnell lesen kann. Zwar ist es mir teilweise zu nüchtern geschrieben und ich hatte gelegentlich Probleme mit der weiblichen Protagonistin, dennoch ist durchaus Spannung da und besonders die Art, wie Sander die einzelnen Handlungsstränge verknüpft, hat mir gut gefallen.
Ich habe das Buch gerne gelesen und gebe vier (dreieinhalb) Sterne.