Biografisch-lexikalisches Werk

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
leseclau Avatar

Von

Zora del Buono ist noch sehr klein, als der Vater unverschuldet in einem Autounfall stirbt. Die Mutter lässt Gespräche über den Vater und den Unfall nicht zu. Und so gibt es in Buonos Leben eine Leerstelle, die niemand mit Erinnerungen füllen kann. Gleichzeitig wächst ihre Wut auf den „Töter“ – so bezeichnet sie den Unfallverursacher. Mit dieser Wut wird der Leser zu Beginn des Buches intensiv konfrontiert.

Langsam, ganz langsam nähert sich del Buono dem tatsächlichen Unfallhergang. Doch zunächst folgen wir ihren Gedanken und düsteren Geschichten zum Tod, zum Unfalltod im Straßenverkehr, lesen Statistiken dazu, lauschen Kaffeehausgeschichten über Leerstellen, Tod und Verzweiflung. Dies alles muss man als Leser durchhalten. Ich brauchte viele Pausen und fremdelte während dieser Düsternis mit dem Buch.

Doch je mehr sich die Autorin mit dem Unfallverursacher auseinandersetzt, desto mehr wird auch er zum Menschen. Und plötzlich gibt es auch filmische Erinnerungen an den Vater. Wunderbar beschreibt del Buono die Entdeckungen dieses Lebens. Und wirft Fragen auf, die mich aus der Bahn werfen – wenn sie zum Beispiel philosophiert, wie lange man die Stimme eines geliebten Menschen wohl im Ohr behält.

Dieser Prozess der Annäherung und Erkenntnis ist spürbar schmerzhaft. Gleichzeitig verliert sie die Mutter immer mehr an die Demenz. Diese Passagen sind fürsorglich, mitfühlend und vielleicht auch auf eine Art emanzipierend, denn "Natürlich stellt sich mir die Frage, warum ich ausgerechnet jetzt, wo es in Mutters Kopf derart wirr zugeht, dass sie nicht einmal mehr mich erkennt, diese Recherche unternehme? Weil ich es endlich darf?".

Zora del Buono schafft ein Buch, das nachwirkt. Mit einem sehr speziellen Schreibstil und einer Härte in der Auseinandersetzung mit sich selbst, die mich beim Lesen bisweilen verstört.