Tötersuche
Von Beginn an lässt die Ich-Erzählerin keinen Zweifel daran, worum es ihr geht: Sie will den Unfallverursacher finden, den „Töter ihres Vaters“, des Vaters, an den sie keine Erinnerung haben kann, weil sie erst acht Monate alt war, als er durch ein riskantes Überholmanöver zu Tode kam. Diese Suche nach dem Unbekannten mit den Initialen E.T. zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch die Erzählung, auch wenn es zunächst ungewiss bleibt, wohin die Reise eigentlich geht. Zora del Buono nutzt die Suche zur Reise in die eigene Vergangenheit. Dabei scheint sie zusammenhanglos Ereignisse und Gedanken aneinanderzureihen, die ihr ad hoc in den Sinn kommen: über den legendären VW-Käfer, die Erfindung der Kopfstützen, ihren ersten Kinobesuch, Gespräche im Kaffeehaus. Wie zufällige Skizzen, Beobachtungen, Erinnerungen reiht sich die Handlung aneinander, ohne dass sie je das Ziel aus den Augen verliert. Sie will den Mann finden, der jetzt über achtzig sein müsste, will wissen, wie er all die Jahre mit seiner Schuld gelebt hat, die ihn laut Gerichtsurteil nur 200 Franken gekostet hat. Als Leser begleitet man die Autorin gern auf ihrem Weg, folgt bereitwillig ihrem flüssigen Erzählstil, fast locker, wie beiläufig hingestreut und dennoch von großer Ernsthaftigkeit. Dabei entwickelt man eine enorme Empathie und die Hoffnung, sie möge diesen Mann finden, um Antworten und vielleicht Ruhe zu finden und den in Kindertagen entstandenen Wunsch nach Rache zu verlieren.